Samstag, 26. Dezember 2009

Frohes Fest mit Feige

Ein wunderbares Fundstück für eine anregende Lektüre zwischen den Feiertagen mit einem guten Vorsatz für eine nachhaltige Zukunft der Finanzwelt - vielleicht schon ab nächstem Jahr?
"An der Wall Street sitzen heute unsere klügsten Köpfe und verbringen ihre Zeit damit, kleinste prozentuale Unterschiede in Aktien- oder Wechselkursen auszunutzen, um mit dieser Mini-Differenz Geld zu verdienen. Das ist doch eine Verschwendung intellektueller Ressourcen! Für die Gesellschaft wäre es wesentlich besser, wenn diese hervorragend ausgebildeten Leute an wirklichen Problemen arbeiteten: Etwa wenn sie sich Gedanken machten über die Energiegewinnung oder wenn sie andere Techniken und Prozesse entwickelten."
Bei "brand eins" hat der Ökonom Edgar Feige zu Beginn des Jahres verraten, wie er das mit einem völlig neuen Steuersystem ("APT-Steuer") erreichen will. Dabei beweist er auch einigen Erfindungsreichtum für die konkrete Umsetzung - mit einer "Guerilla-Aktion der Geheimdienste"

Entdeckt hat das übrigens die Redaktion von Humane Wirtschaft. Bei der Gelegenheit möchten wir uns auch bei allen anderen Ideengebern in diesem Jahr bedanken!

Alle Jahre wieder: die Verteilungsfrage anno 1969

Kaum zu glauben, wie deutlich der SPIEGEL im Jahr 1969 die ungerechte Vermögensverteilung unter dem bezeichnenden Titel "Paradies der Reichen" an den Pranger gestellt hat:
"Die westdeutsche Sozial-Pyramide gleicht einer Platte, aus deren Zentrum eine Nadel aufragt. Über einer breiten Masse motorisierter Konsumenten und Kleinsparer erhebt sich eine dünne Spitze Multi-Reicher - nicht unähnlich jener Besitzkaste im letzten deutschen Kaiserreich, die der Philosoph Ernst Bloch als 'Fettbourgeoisie' kennzeichnete."
Ein schönes Geschenk wäre es, wenn die Journalisten auch heute so kritisch nachfragen würden, wer auf wessen Kosten leistungsloses Einkommen erzielt!

Samstag, 19. Dezember 2009

Die Kapitulation von Kopenhagen

"Für Irritationen dürfte auch der Beitrag der USA zu den Finanzhilfen an die Entwicklungsländer sorgen. US-Außenministerin Hillary Clinton und Präsident Obama hatten zuvor mit großem Tamtam angekündigt, dass die USA den Hilfsfonds für die Entwicklungsländer unterstützen würden - aber den Beitrag verschwiegen. Jetzt wird klar, warum das geschehen sein könnte: Dem Entwurf zufolge wollen die USA von 2010 bis 2012 insgesamt 3,6 Milliarden Dollar überweisen - das ist etwa ein Drittel des Betrages der EU und in etwa das, was die USA alle 60 Stunden für ihr Militär ausgeben."
Wenn das - wie bei SPIEGEL online gemeldet - der größtmögliche Beitrag eines weltweit gefeierten Hoffnungsträgers und frisch gekürten Friedensnobelpreisträgers ist, kann einen das Scheitern des Weltklimagipfels nicht überraschen. Wenn man die Hintergründe dieser mit Zahlen eindrucksvoll belegten Diskrepanz kennt, erst recht nicht: Die Umwelt wird einfach weiter für mehr Wirtschaftswachstum geopfert; egal, ob durch Autos, Weltraumtourismus oder Krieg generiert.

Donnerstag, 10. Dezember 2009

Kopenhagen - Ruhe vor dem Sturm?

Der erste Hype rund um den Weltklimagipfel in Kopenhagen ist vorüber. Die Zahl der Sonderseiten in den Tageszeitungen hat rapide abgenommen. In einer Woche, kurz vor dem Auftritt der Regierungschefs, wird das wieder ganz anders aussehen. Zeit für eine etwas andere Perspektive...

Zum Beispiel die von Dennis Meadows, der schon 1972 auf die "Grenzen des Wachstums" aufmerksam machte und der nun sagt: "Kopenhagen ist ein Täuschungsmanöver". Seiner Meinung nach kommen die nötigen Veränderungen erst dann zustande, wenn es eine Serie von Krisen, eine abrupte Umweltveränderung gäbe. Erst dann werde die Bereitschaft da sein, wirklich etwas zu tun: "Solche Gelegenheiten muss man dann nutzen. Bei der Finanzkrise hat man sie leider nicht genutzt. Da ist die Gelegenheit, etwas zu ändern, trotz Krise verpufft."

Das ist doppelt bitter, denn es gibt einen unmittelbaren Zusammenhang, den uns auch der neuste Krisengipfel vor Augen führt. Angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise tun sich die Staaten mit Klimaversprechen schwer. Schließlich brauchen sie jetzt vor allem eines: dringend mehr Wachstum. Ein klassischer Teufelskreis.

Was dabei am Ende heraus kommen könnte, wurde auch schon vor einiger Zeit beschrieben. Es ist nicht wie Meadows fast dreißig, aber immerhin schon mehr als fünfzehn Jahre her. Damals kam "GO! Die Ökodiktatur" von Dirk C. Fleck ("Das Tahiti-Projekt") als Buch heraus. Nun ist es als Hörbuch/-spiel erschienen (mit kostenlosen mp3-Hörproben).

Schon früher hieß es in einer Kritik von Greenpeace: "Ein beklemmendes Buch. Mehr Prognose als Fiktion. Es braucht immer weniger Fantasie, um sich vorzustellen, dass sie wahr werden könnte." Und der Hessische Rundfunk meinte: "Dieser Roman wird mit jedem Jahr erschreckend aktueller." Es wäre eine gute Unterhaltung für den Flug nach Kopenhagen und die eine oder andere Sitzung beim Klimagipfel!

Die Kehrseite der Medaille - Vermögen & Schulden in Kärnten

"Haiders Vorzeigeland steht vor dem Finanzkollaps" ist online zu lesen. Im Mittelpunkt steht dabei Harald Dobernig, Finanzlandesrat von Kärnten, 29 Jahre jung und zuvor drei Jahre im Vorzimmer von Jörg Haider sowie einige Monate als Praktikant bei der Hypo Alpe-Adria tätig, deren Schulden nun ein weiteres Loch in den Haushalt reißen.

Noch interessanter als diese Personalie sind die nackten Zahlen aus Österreich. 2,2 Milliarden Euro Schulden haben Kärnten und seine ausgegliederten Unternehmen angehäuft – "mehr als ein Jahresbudget des Landes." Bis 2014 soll das Minus bis auf 3,7 Milliarden Euro wachsen, unter anderem weil ständig neue Ausgaben für populistische Wohltaten anfallen und die (einmaligen!) Einnahmen aus dem Verkauf des Tafelsilbers nicht ausreichen.

Demgegenüber steht der "Zukunftsfonds" Kärntens - offenbar der ganze Stolz der Landesregierung. Mit den Zinsen daraus sollen nachhaltige Zukunftsprojekte finanziert werden. Dumm nur, dass der Fonds mit geschätzen 750 Millionen Euro (aus dem Verkauf von Hypo-Anteilen) deutlich kleiner ist als die Summe aller Schulden. Das Land bezahlt die "Zukunftsprojekte" also mit den für die Schulden fälligen Zinsen selbst - und vermutlich noch einen schönen Batzen mehr. Sowas nennt man dann wohl Selbstbetrug oder Volksverdummung.

Besten Dank für den Hinweis via Twitter!

Donnerstag, 19. November 2009

Anlagemöglichkeit gesucht? Willkomen in der Geisterstadt!

Was sich in Spanien an Immobilienspekulation abspielt, ist schon kaum zu glauben (und zugegebenermaßen auch recht schwer verständlich)...



Deutlicher (wenn auch noch unglaublicher) wird es nun mit einem Beispiel aus China, wo mit "New Ordos" eine ganze Stadt leer steht - aber dennoch ausverkauft ist...



Warum solch hirnrissiges Wachstum nötig ist, wird hier erklärt. Danke für den Hinweis auf Ordos!

Dienstag, 17. November 2009

Sicherheitsrisiko Bahn - im Börsenwahn verschlissen

Noch immer will es der eine oder andere Bahnmanager offenbar nicht wahr haben - oder zugeben. Fakt ist jedoch, dass die Bahn jahrelang auf Verschleiss gefahren ist und dabei Personal und Gäste unfassbaren Risiken ausgesetzt ein bzw. es nach wie vor tut. All das zeigt eine Dokumentation der ARD, die für Schlagzeilen sorgt.

Neu ist unter anderem, dass fast jeder fünfte Güterwagon sicherheitsrelevante Mängel aufweist und in Berlin vermutlich 500 S-Bahn-Wagen unterwegs sind, die weger ihrer viel zu schwachen Bremsen eigentlich gar nicht hätten für den Eisenbahnverkehr zugelassen werden dürfen!

Je tiefer man gräbt, desto deutlicher zeigt sich, welch düsteren Pfad die Bahn für den noch immer nicht abgesagten Börsengang eingeschlagen hat!.Dazu kommt, dass das Paradebeispiel für die Folgen der Privatisierung öffentlicher Güter in Deutschland kein Einzelfall ist. Die Macher einer anderen kritischen Bahn-Dokumentation arbeiten an einem neuen Thema, das noch elementarer ist. Beide Phänomene haben systemische Ursachen, die dringend angegangen werden müssen!

Donnerstag, 12. November 2009

Kapitalismus - eine Liebesgeschichte?

Dokumentarfilmer Michael Moore mag umstritten sein; unterhaltsam ist er auf alle Fälle. Heute kommt sein neuer Film in die deutschen Kinos. Neben dem langen gibt es auch einen kurzen, sehr gelungenen Vorschaufilm...



... und ein ausführliches SPIEGEL-Interview. Auf die Frage, ob er in der Krise etwas dazugelernt hat, antwortet der Filmemacher:

"Ja. Ich habe nicht gewusst, dass es so viele hochbegabte junge Leute gibt, die direkt in die Finanzwelt gehen. Unsere besten Ingenieure, Physiker, Mediziner und Mathematiker benutzen dort ihr tolles Gehirn, um sich neue teuflische Finanzprodukte auszudenken. Wir können viele Krebserkrankungen immer noch nicht heilen, es fehlt uns an neuen Energien gegen die globale Erwärmung, und dann verschwenden wir derart unsere Intelligenz, all unseren Reichtum. Das ist so falsch!"

Diese Aussage kann man sicherlich gleich unterschreiben. Das folgende dagegen nicht:

"Man hat über ein vernünftiges ökonomisches System für das 21. Jahrhundert einfach noch nicht richtig nachgedacht."

Oh doch, Michael; es ist aber offenbar noch nicht zu allen durchgedrungen! Kann ja noch werden...

Mittwoch, 4. November 2009

Große Reden - große Taten?

Wer sich so alles mit jahrelang belächelten Ideen zu Wort meldet...
"Die Welt brauche eine neue Ordnung für die Finanzmärkte, 'die Geld und Kapital wieder in eine dienende Rolle bringt', zum Nutzen aller Menschen. Köhler, der früher unter anderem Geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) war, hielt es in seiner Rede 'auch für richtig, wenn sich Deutschland mit Nachdruck für eine Abgabe auf internationale Finanztransaktionen einsetzt'."
Bundespräsident Horst Köhler bei der Ernennung des neuen Kabinetts
"Wenn das, was da über uns hinweg gefegt ist und immer noch wütet, eine systemische Krise ist; wenn also ohne massive staatliche Finanzhilfen das gesamte feinnervige marktwirtschaftliche System in Schutt und Asche zerfallen wäre, mit allen schrecklichen politischen und sozialen Folgen - wenn dem so ist, was kaum ein ernstzunehmender Zeitgenosse bezweifelt, dann sind auch tief greifende Reformen am System erforderlich. Dann reichen nicht Änderungen in Teilbereichen, dann muss die gesamte Ordnung des Geld- und Finanzsystems umgebaut werden."
Wolfgang Kaden, Kommentator beim SPIEGEL

Schade nur, dass den Reden keine Taten folgen. Das schwarz-gelbe Regierungsbündnis redet trotz eines neuerdings wachstumskritischen Staatsoberhaupts schon wieder fast ausschließlich vom Wachstum als Mutter aller Problemlösungen.

Der SPIEGEL hat noch immer nicht ohne Vorbehalte über Systemalternativen berichtet. Statt dessen wird auch dort zumeist behauptet, dass es keine Alternativen gibt. Aber das kann man ja ändern!

Interessant wäre sicherlich auch für Deutschland ein Blick auf die mehr oder weniger demokratischen Vorgänge rund um die Reförmchen(versuche) nach der Finanzkrise. In den USA wird offenbar selbst die gut gemeinte Kosmetik, die am falschen Ende ansetzt, mit allen Mitteln torpediert.

Dienstag, 3. November 2009

Finanzindustrie: business as usual

Die Online-Börsenberichterstattung der ARD bringt es erstaunlich deutlich auf den Punkt: Offenbar hat man trotz Krise nichts dazu gelernt.
"Die großen Banken zahlen wieder hohe Boni wie eh und je, die Notenbank Fed trägt mit ihrer Nullzinspolitik zur Entstehung neuer Blasen an den Aktienmärkten bei – und nun auch noch das: Kunden mit geringer Kreditwürdigkeit bekommen in den USA weiterhin Immobilienkredite."
Um genau zu sein - online ist zu lesen...
"Kritischen Beobachtern drängt sich immer mehr der Eindruck auf: Die Amerikaner haben nichts dazu gelernt."
Welcher Beobachter kann angesichts der Fakten nicht kritisch sein?
Und: Wieso nur die Amerikaner? Gibt es irgendein Land, in dem die Verantwortlichen bei Banken und in der Politik nach der Krise viel mehr produziert haben als heiße Luft?

Donnerstag, 22. Oktober 2009

Tricksen, tarnen, täuschen - jetzt schon?

Versprochen wurde einiges. Beschlossen ist offenbar noch nichts. Aber einige bedenkliche Ideen von Union und FDP zum Thema Haushalt machen nun die Runde.

Die Löcher in der Staatskasse sollen offenbar mit einem Schattenetat gestopft werden: Deckname "Sozialversicherungsstabilisierungsfonds"; Inhalt: 56 Milliarden Euro. Damit würde die Neuverschuldung in diesem Jahr auf rund 100 Milliarden Euro steigen. Hintergrund ist, dass nur so die versprochenen Steuersenkungen möglich sind. Verfassungsgemäß dürfte der Schattenhaushalt nicht sein, aber an einer verfassungskonformen Begründung werde noch gefeilt.

Faszinierend, welche Kreativität Politiker an den Tag legen, wenn es um kurzfristige Lösungen geht! Denn langfristig werden die Steuern zwangsläufig wieder steigen müssen, weil ja irgendwer die Zinsen für die neuen Schulden bezahlen muss. Noch faszinierender ist, wie vergesslich Politiker sind. Dabei steht es sogar auf der FDP-Internetseite: "Die FDP lehnt daher Nebenhaushalte ab." Die Berliner Zeitung formuliert es noch etwas meinungsfreudiger:

"Die Schulden von heute sind schließlich die Steuern von morgen, so hat es FDP-Chef Guido Westerwelle schon vor ein paar Jahren gewohnt knackig zusammengefasst. Mit den nun geplanten Taschenspielertricks zeigen die Schwarz-Gelben vor allem eines: Sie besitzen keineswegs die hohe Wirtschaftskompetenz, die ihnen die Wähler zuschrieben."

Das zeigt sich auch bei der nun erdachten Lösung für die Pflegeversicherung. Dort soll eine Kapitaldeckung helfen, auf die die Arbeitnehmer verpflichtet werden sollen. Also: Noch mehr Geld für die maroden Finanzmärkte! Wie bei der Rente wird der Bock zum Gärtner gemacht. Verantwortlich war in diesem Fall übrigens Rot-Grün. Und Schwarz-Rot hatte auch keine besseren Ideen.

PS: Kaum zu glauben, aber wahr: die Pläne für Peterchens bzw. Angelas Mondfahrt waren auch Thema der Koalitionsverhandlungen!

Mittwoch, 7. Oktober 2009

No future - Wirtschaft ohne Zukunft?

Bei der Bewältigung der Weltwirtschaftskrise geht es nur darum, den Status quo um jeden Preis zu erhalten. Man stellt keine Weichen für eine Ökonomie, die mit weniger oder ohne Wachstum auskommen könnte. Die meisten Politiker und Manager denken, dass wir lediglich eine zyklische Krise durchleben. Dabei steuern wir an Funktionsgrenzen unseres Systems. Das war gute 200 Jahre extrem erfolgreich, weil es seine Rohstoffe von außen bezogen hat. In dem Augenblick, wo sich dieses Wirtschaftsprinzip globalisiert, geht es zugrunde, weil eine globalisierte Welt kein Außen hat.
aus einem sehr lesenswerten Interview der Süddeutschen Zeitung mit dem Sozialpsychologen Harald Welzer

Donnerstag, 24. September 2009

G20-Gipfel der Tatenlosigkeit

Nicht mehr und nicht weniger als die "Neuordnung des Weltfinanzsystems" haben sich die Staats- und Regierungschef für ihr Treffen in Pittsburgh vorgenommen. Doch schon jetzt steht fest: Daraus wird nichts werden.

Die Bonuszahlungen an Banker sollen begrenzt und neue Eigenkapitalregeln für Banken beschlossen werden. Doch noch nicht einmal auf diese mickrigen kosmetischen Arbeiten an der maroden Fassade wird man sich einigen können. Die USA sind gegen Grenzen für Boni, Deutschland ist gegen nationale Alleingänge mit einer Finanztransaktionssteuer und Großbritannien ist sowieso gegen alles, was die "City of London" und die angeschlossenen Steuerparadiese verärgern könnte.



Von einem neuen Fundament für eine nachhaltige Finanzordnung ist man nur ein knappes Jahr nach der Lehmann-Pleite wieder meilenweit entfernt. Offenbar muss mehr passieren, bevor die verantwortlichen Politiker umdenken und auch die Journalisten beginnen, die richtigen Fragen zu stellen.

Dienstag, 22. September 2009

Die Chamäleon-Kanzlerin, der Freiherr und die Bankenrettung

Es ist ein faszinierendes Schauspiel, das sich uns mit der Finanzkrise und deren vermeintlicher Bewältigung bietet. Während im Wahlkampf schon wieder das Wachstum der Wirtschaft beschworen wird, tun die Staats- und Regierungschefs auf internationaler Ebene noch so, als wollten sie es tatsächlich eindämmen. Schließlich seien die Zeiten ungebremsten Wachstums vorbei, so Merkel. Die Bundeskanzlerin will sich beim G20-Gipfel auch für "weniger Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft" einsetzen; im Wahlkampf wirbt sie zugleich für den weltweiten Export der mit massiven Exportüberschüssen finanzierten sozialen Marktwirtschaft deutscher Prägung.

Bei der Chamäleon-Kanzlerin verwundern die Widersprüche immer seltener. Eine gewisse Stringenz, Klarheit und Nachvollziehbarkeit wären da die eigentliche Sensation! Auf die Spitze der Widersprüchlichkeit treibt es jedoch die Finanzierung der Bankenrettung. Denn für die staatlichen Rettungsspritzen muss der Bund immer mehr Kredite aufnehmen. Bei wem? Bei den Banken. Das nennt man wohl Kreislaufwirtschaft.

Apropos Wirtschaft: Der zuständige Minister, Karl-Theodor zu Guttenberg, ist bisher noch nicht durch Vorschläge aufgefallen, die für eine nachhaltige Veränderung sorgen würden. Die Kreativität reicht nur soweit, sich mit Finanzminister Steinbrück zu verbrüdern, um mal wieder das Engerschnallen der Gürtel anzuregen. Viel mehr ist auch nach der Bundestagswahl nicht zu erwarten, denn der Freiherr mit der dubiosen Berufserfahrung wird ganz sicher nicht das Wachstum gefährden wollen.

Vor allem nicht das des Guttenbergschen Familienvermögens. Laut SPIEGEL bzw. Manager-Magazin lag das im Jahr 2007 bei 600 Millionen Euro. Die Familie des Bundeswirtschaftsministers ist folglich einer der größten Gläubiger des Bundes. Wächst der Schuldenberg des Staates weiter, steigen auf der anderen Seite auch die Vermögen der zu Guttenbergs, der Gebrüder Aldi u. a. Was andernorts als Interessenskonflikt für großes Aufsehen sorgen würde, bleibt im Fall des Bundeswirtschaftsministers meist unerwähnt. Armes Deutschland!

Visionäre ohne Visionen

Was kann man eigentlich inmitten der größten Finanz- und Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg von einem Zukunftsinstitut erwarten: eine nachhaltige Utopie oder tatsächlich nur ein paar traurige Skizzen, die auf genau das setzen, was uns an diesen Punkt gebracht hat?

1. Szenario: Rheinischer Retro-Kapitalismus
"Trotz des Bekenntnisses zum ökologischen Umdenken wird Wachstum deshalb in erster Linie durch die klassischen Branchen erwartet, die sich den Anforderungen des globalen Marktes und des Klimawandels anzupassen haben."

2. Szenario: Neogrüne Digital-Ökonomie
"Deshalb wird sich das Wachstum auch auf neue Bereiche verlagern... Diese von den Autoren 'Neoökologie' und 'Digitalwirtschaft' genannten Wachstumsbranchen lösen einen regelrechten Green-Dotcom-Boom aus... Getragen wird dieses Wachstum von einer grundsätzlich neuen Produktionslogik... Allerdings, so warnen die Zukunftsforscher, dürfe man nicht zu sehr auf die Wachstumspotentiale der sozio-technologischen Innovationen setzen, weil dann die Gefahr einer Blasenbildung entstehe."

3. Szenario: Big-Brother-Ökonomie
"'Nur wenn Arbeitnehmer und Verbraucher nachhaltig gestützt werden, lässt sich Wachstum garantieren', so das Credo. Deshalb will man durch 'kluge Konjunkturprogramme' ein stabiles Nachfrageklima schaffen."

4. Szenario: Verzichtskapitalismus
"Trotzdem setzt man darauf, Wachstum zu generieren..."

Dienstag, 8. September 2009

Mr. Dax - mit Kritik am Geldsystem zum Bestseller

"Unser Wirtschaftssystem, davon zeigt er sich überzeugt, ist dem Untergang geweiht – wenn nicht bereits jetzt, dann in ein paar Jahren. Ein System, das auf Zinseszins und Schulden gebaut sei, breche irgendwann in sich zusammen. 'Dieses System braucht, um zu bestehen, immer neue Schuldner', schreibt er. Nur so könne sich die stetig wachsende Geldmenge verzinsen. 'Irgendwann ist aber der Punkt erreicht, an dem die Schuldenlast die Bürger erdrückt.'"
Diese Aussagen stammen nicht von irgendeinem weiteren Globalisierungsgegner, sondern von Deutschlands bekanntestem Börsenhändler Dirk Müller. Das Handelsblatt berichtet über seinen Bestseller, die INWO mit Buchauszügen über seine Sympathie für die FAIRCONOMY. Im Oktober ist Müller auf einer spannenden geldsystemkritischen Tagung zu Gast...

Freitag, 4. September 2009

25% jährliche Rendite - nur?

Andere sind (bzw. waren) da durchaus selbstbewusster, Herr Ackermann! Die Kollegen des größten isländischen Kreditinstituts Kaupthing zum Beispiel: 500% Wachstum in drei Jahren - kein Problem...



Bis zur nächsten Weltfinanzkrise - diesen Herbst?

Dienstag, 1. September 2009

Bankgeschäfte, die zum Himmel stinken

Neu ist die Idee nicht, aber sie ist gefragt: das Einlagern von Käserädern als Sicherheit für Kredite. Kein Scherz. Und nein, die Schweizer haben es nicht erfunden!

Laut Berliner Zeitung geht das norditalienische Finanzierungssystem "auf die 50er-Jahre zurück. Es hilft den Käseherstellern, während der zweijährigen Reifezeit des Parmesan Engpässe zu überbrücken." Vier Geldinstitute machen mit. Eines davon hat eigenen Angaben zufolge 400.000 Parmesan-Laibe á 40 Kilogramm eingelagert, die mit je 300 Euro bewertet werden. Kann ein Kredit nicht zurück gezahlt werden, wird der Käse verkauft.

Donnerstag, 27. August 2009

Houston, wir haben ein Problem...

Die USA hatten da mal Schwierigkeiten mit einer ihrer Raumfähren. Nun stehen ihnen ganz andere bevor, auch wenn das nicht für halb so viel Aufsehen sorgt. Aber das wird sich noch ändern!

Eine gerade mal vier Monate alte Schätzung musste laut Berliner Zeitung nun deutlich nach oben korrigiert werden: die der zukünftigen Verschuldung der Vereinigten Staaten.
"... - um 2000 Milliarden Dollar. Damit könnte man alle Waren und Dienstleistungen Österreichs sechs Jahre lang kaufen. (...) Insgesamt rechnet das Weiße Haus nun mit 9000 Milliarden Dollar Minus zwischen 2010 und 2019."
Viel bedrohlicher als der ohne Hyperinflation nicht mehr abzutragende Schuldenberg sind jedoch die laufenden Belastungen des Staates (und damit der Steuerzahler), die sich daraus ergeben. Bei 9 Billionen US-Dollar Schulden und einem Zinssatz von fünf Prozent fallen nämlich Jahr für Jahr 450 Milliarden US-$ Zinsen an.

Damit könnte man jedes Jahr (!) alle österreichischen Waren und Dienstleistungen komplett aufkaufen (für rund 333 Mrd.) und dazu noch ein ordentliches Trinkgeld geben! Wenn man damit nicht zwangsweise die leistungslosen Einkommen einiger Superreicher und die nächsten Spekulationsblasen durch deren Investments finanzieren müsste...

Ach ja, sie meinen Sie profitieren auch vom Zins? Glückwünsch, dann gehören Sie nicht zu den 80 bis 90%, die tagtäglich drauf zahlen!

Dienstag, 25. August 2009

Der Countdown läuft...

..., bis zu den Wahlen ist es nicht mehr lang, die (meisten) Medien nehmen ihre Arbeit wieder auf, indem sie über ein Monate zurück liegendes Gelage mit Banker(n) im Bundeskanzleramt berichten und glücklicherweise kommt bald auch der unterhaltsame Wachstumskritiker* Volker Pispers aus der Sommerpause zurück!



Und es gibt endlich wieder etwas interessantes im Kino - einen neuen Film von Michael Moore: "Capitalism: A Love Story."



Mehr ausgewählte Videos gibt es unter http://www.INWO.de/Videos!

* Als ein solcher outet sich in einer sommerlichen SPIEGEL-Ausgabe erneut auch Kurt Biedenkopf:
"Wer glaubt, die Welt werde nach diesem Zusammenbruch wieder zum Vorkrisenzustand zurückkehren, folgt einer gefährlichen Illusion. Die Krise ist nicht vorbei, vor allem aber sind ihre Ursachen nicht beseitigt. Die Industrieländer folgen seit mindestens drei Jahrzehnten einem verfehlten Wachstumsbegriff. Das Wachstum ist zum Fetisch geworden, mit all den irrationalen Konsequenzen, die wir heute als Ausbeutung der Umwelt, Zerstörung des Klimas und Belastung nachfolgender Generationen erleben."

Freitag, 7. August 2009

Bildungsarmut, gesegnete Kondome & ein Hoffnungsschimmer

Investieren will gelernt sein. Aber auch die scheinbar beste Ausbildung schützt nicht vor teuren Fehlern im globalen Finanzcasino. Ein interessantes Beispiel dafür bietet die US-amerikanische Elite-Uni Harvard. Die Süddeutsche Zeitung hat in der Sommerpause über "Die plötzliche Armut der reichsten Uni der Welt" berichtet.

Ethisches Investment ist noch schwieriger. Mal ganz abgesehen davon, ob Investments überhaupt ethisch sein können, wenn dadurch ein enormer Rendite- und Wachtumsdruck entsteht. Naja, zumindest hatte das pikante Investment der katholischen Kirchenbank Pax eine schützende Funktion, wenn auch laut Kleiner Zeitung keine von ganz oben abgesegnete.

Als hilfreich könnte sich, nicht nur für Harvard und die Kirche, das neue Programm von Kabrettist Georg Schramm erweisen, das derzeit entsteht. Auf die Rolle der Finanzkrise angesprochen, sagte Schramm der Süddeutschen: "Ich würde gerne wissen, ob es Alternativen zum Zins und Zinseszins gibt. Versuche wie Regionalgeld, um von diesem ruinösen Zinssystem wegzukommen, werden einfließen."

Wem die Vorfreude auf Besserung der schweinegrippegeplagten Weltfinanzwirtschaft nicht ausreicht, kann sich vielleicht an einem weiteren Sommerpausen-Fundstück erheitern. So sieht es auch, wenn man so dreist ist und als Bank die Finanzkrise für Werbezwecke nutzt:

Mittwoch, 5. August 2009

Kein Geld da? Niemand hortet Geld? Vonwegen!

Stellen Sie sich vor, sie hätten 1000 Waggons, um ganz Deutschland mit ausreichend Personenzügen zu versorgen. Dummerweise wissen sie nicht, wo 600 davon geblieben sind. So in etwa geht es der Bundesbank mit dem Bargeld. Über den Verbleibt von 60 Prozent rätseln die Währungshüter laut Medienberichten!

"'Sie können unter dem Kopfkissen liegen oder im Sparstrumpf stecken. Vermutlich aber dient auch ein hoher Anteil zur Bezahlung von Schwarzarbeit, möglicherweise fließt auch viel in die Kriminalität', sagte Bundesbank-Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin."

Es wird also tatsächlich Bargeld gehortet - und zwar reichlich; wie erwartet nicht vom Durchschnittsbürger, der 118 Euro im Portemonnaie haben soll, sondern von anderen Wirtschaftsteilnehmern. Sie sorgen, ob mit legalen oder illegalen Geschäften, für eine Stockung des Kreislaufes. Mit einem fließenden Geld wäre nicht nur diese Krisenursache beseitigt!

Goldmine Sachs: Drehtür statt Verschwörung

Unzählige Gerüchte ranken sich um den Erfolg der US-amerikanischen Großbank Goldman Sachs. Ihre Bedeutung beschreibt ein Zitat, das die ZEIT in einem lesenswerten Artikel bringt:

"'Was ist der Unterschied zwischen Goldman Sachs und Tansania?', fragte das linksliberale britische Blatt The Guardian einmal . 'Das eine ist ein afrikanisches Land, in dem sich 25 Millionen Menschen 2,2 Milliarden Dollar teilen, das andere ist eine Investmentbank, in der sich 161 Menschen 2,6 Milliarden Dollar teilen.'"

Viele sprechen von einer durch die Bank koordinierten Verschwörung; für andere liegt es schlicht und einfach an der häufig in beiden Richtungen genutzten Drehtür zwischen Bank und Politik. Der Personalaustausch sorgt für eine "gemeinsame Weltsicht" und entsprechend gute Geschäfte.

Wie war das noch mit dem biblischen Zinsverbot?

Die Kirchen finden bei Ökonomen und wirtschaftsnahen Politikern zunehmend Gehör, meint die WELT. Das könnte am Sommerloch liegen. Ganz sicher liegt es auch daran, dass sowohl Katholiken als auch Protestanten erschreckend harm- und ideenlos daher kommen. Da wird der billige kirchliche Segen für den Bundestagswahlkampf gern mitgenommen.

Das "Wort der Rates der EKD zur globalen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise" und die neue Sozialenzyklika von Papst Benedikt XVI. fordern wie nicht anders zu erwarten war (mehr oder weniger direkt) staatliche Kontrolle bzw. Regulierung und geißeln die menschliche Gier, die uns die Weltwirtschafts- und Finanzkrise eingebrockt hat.

Schlimm, dass die Kirchen auf Kuschelkurs mit den Verantwortlichen gehen; noch schlimmer, dass die protestantische Plattform unwidersprochen für Werbung für die neoliberale Lobbytruppe "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" genutzt wird. Aber am allerschlimmsten ist, dass die frommen Wünsche nicht zu Ende gedacht werden, wie hier beispielhaft für die EKD aufgezeigt wird!

Samstag, 27. Juni 2009

Die einen ersaufen, die anderen verhungern...

"Wir ersaufen in Geld", kommentiert ein Händler laut SPIEGEL die jüngste 440 (!) Milliarden-Spritze der Europäischen Zentralbank. Nicht nur der Umfang ist erstaunlich, sondern auch die Konditionen. Anstatt kurzfristig für billige Liquidität zu sorgen, gibt es den Kredit nun fast umsonst und viel länger als üblich: nur ein Prozent Zinsen für ein ganzes Jahr.

Statt der erwarteten 300 Milliarden bestellten die Banken rund die Hälfte mehr. Statt der üblichen 700 Banken nahmen 1121 das "extrem großzügige Angebot der EZB" (Analyst) an. Die Not ist also offensichtlich groß, die Wirkung jedoch nicht.

Unternehmensverbände und Analysten gehen davon aus, dass die Kreditvergabe weiterhin stockt. Selbst Großzügigkeit und auch Drohungen der Notenbank (Umgehung der Banken!) scheinen nicht zu fruchten. Warum also nicht endlich mal Gedanken über "fließendes Geld" machen?

Horror mit Peer "Graf Zahl" Steinbrück

beschlossene Nettokreditaufnahme für 2010: 86,1 Milliarden Euro
(doppelt so viel wie der bisherige Rekordhalter Theo Waigel)

wahrscheinliche Nettokreditaufnahme für 2010: über 100 Mrd. Euro

neue Kredite bis 2013 laut mittelfristiger "Finanzplanung": 310 Mrd. Euro

Folgerungen = nebulös, weil Wahlkampf...

Wirtschaftskrise = Schuldenkrise?

"Was den meisten der politischen Entscheidungsträger aber nicht aufzufallen scheint, ist die Tatsache, dass das spätkapitalistische Wirtschaftssystem offensichtlich ohne Verschuldung nicht mehr reproduzierbar ist. Sobald die - private oder staatliche - schuldengenerierte Nachfrage wegbricht, setzt eine verhängnisvolle, sich selbst verstärkende Abwärtsspirale ein, in der Überproduktion zu Massenentlassungen führt, die wiederum die Nachfrage senken und weitere Entlassungswellen nach sich ziehen. Es stellt sich die Frage, wie lange dieses kreditfinanzierte Perpetuum Mobile noch aufrechterhalten werden kann."

Quelle: Telepolis

Donnerstag, 4. Juni 2009

Gestern im Bundesfinanzministerium: Was darf's denn sein?

Staatshilfe für alle UnternehmenOb Schuldenbremse auf der einen oder Umweltprämie und Staatshilfe auf der anderen Seite - die Bundesregierung hat offenbar für (fast) jeden etwas zu bieten, das wenig bis gar keinen Sinn macht. Da hilft nur noch Galgenhumor oder der passende Online-Rechner...

Dienstag, 19. Mai 2009

Schönes Bild mit weißem Fleck

Peter Bofinger hat sich viel Mühe gegeben und im SPIEGEL in Teilen Großartiges zu Papier gebracht. Er fordert unter drei spannenden Teilüberschriften eine internationale Banken-Schufa, eine Verschärfung der Eigenkapital-Vorschriften und eine staatliche europäische Rating-Agentur:
  • Licht an! Die Notwendigkeit einer internationalen Banken-Schufa
  • Tempo drosseln! Eigenkapitalvorschriften verschärfen
  • Ab zum Finanz-TÜV! Die Notwendigkeit einer staatlichen europäischen Rating-Agentur
Allerdings ist eine Ecke noch sehr weiß und damit das Gesamtbild alles andere als vollendet!

Vergessen (oder aus taktischen Gründen erstmal absichtlich weggelassen?) hat der im Gegensatz zu seinen Kollegen sehr kritische Wirtschaftsweise, dass das Auto (Banken) sich leider gar nicht an die von ihm vorgeschlagenen Geschwindigkeitsbegrenzungen auf der verlockend breiten und immer weiter anwachsenden Rennstrecke (Geldvermögen) halten können. Denn entweder verfügen Sie über einen speziellen Tempomat, der die Geschwindigkeit ständig steigert. Wenn kein Tempomat eingebaut ist, werden sie abgewrackt (feindliche Übernahme) und durch ein Modell mit Tempomat ersetzt.

Speziell ist der Tempomat (Wachstumszwang), da er zum einen für eine exponentielle statt lineare Steigerung der Geschwindigkeit sorgt und überhaupt keine Bremsfunktion kennt. Halbautomatische Blitzer (staatliche Aufsicht) helfen da nicht viel weiter und irgendwann sind dann auch die stärksten Leitplanken (staatliche Finanzspritzen) durchbrochen.

Würde Bofinger sein Gemälde (und damit den oftmals destruktiven Zins) noch um eine konstruktive Umlaufsicherung ergänzen, wäre es ein Meisterwerk!

PS: Vielleicht regt ihn ja die erstaunliche Zeitungslektüre in diesen Tagen dazu an.

Huhn oder Ei - Mensch oder System?

Was war zuerst? Was ist die Ursache? Diese Fragen stellen sich immer wieder, wenn man sich mit neuen Wirtschafts- und Lebensmodellen befasst. Viele behaupten dann einfach: Der Mensch ist eben so: von Natur aus gierig. Da kann man nichts machen.

Interessant ist da der Ansatz von Neuroökonomen, über die die taz berichtet: "Die Logik dahinter lautet: Nicht das System ist defekt, sondern ein paar Exemplare des Homo Sapiens ticken nicht richtig. Aber was kaputt ist, kann man reparieren. So arbeiten der nobelpreisverdächtige Professor Ernst Fehr und seine Kollegen in Zürich an Empathie-Trainingsprogrammen, damit Manager den Sprung vom Ich zum Wir schaffen."

Warum gibt es eigentlich so gut wie keine Wissenschaftler, die das ebenfalls im Artikel ausgemachte grundlegende Problem des Wachstumszwangs erforschen? Was, wenn die Gier vom System verursacht ist und keine menschliche Ur-Eigenschaft?

Das "Denkwerk Zukunft" stellt laut taz einige interessante Fragen zum Thema:

"Wie können unter Globalisierungsbedingungen (also dem Zwang zur globalen Kooperation) folgende Politikziele ohne (weltzerstörendes) Wachstum erreicht werden: Vollbeschäftigung, intakte Umwelt, Generationengerechtigkeit, Bildung, Forschung, Innovation ..., soziale Sicherheit, soziale Gerechtigkeit, öffentliche Daseinsvorsorge ...? Welche neuen Verhaltensweisen und welche konkreten politischen Rahmenbedingungen sind hierfür notwendig?"

Dem dafür mitverantwortlichen Professor Meinhard Miegel sei wie auch den Neuroökonomen zunächst mal ein Literaturstudium empfohlen (zum Beispiel hier), denn diese Fragen haben sich einige Menschen mit mehr Vorstellungskraft bereits gestellt - und sie haben überzeugende Antworten anzubieten.

Donnerstag, 7. Mai 2009

Es werden immer mehr...

Nach VWL-Standardbuchautor Mankiw hat mit Willem Buiter nun auch ein prominenter Kollege von der angesehenen London School of Economics die Idee des Negativzinses aufgegriffen. Die meisten deutschen Medien tun sich (noch) schwer damit, während es in der New York Times bereits zu lesen war.

Unter den Ökonomen scheint es zunehmend zu rumoren, was ein treffender Kommentar des britischen Professors und Politikers Robert Skidelsky belegt:

"Wenn es also darum geht, jemandem den Schwarzen Peter zuzuschieben, dann gebe ich eher den Ökonomen als den Bankern die Schuld für die Krise. Sie etablierten das Ideensystem, das Banker, Politiker und Aufsichtsbehörden dann angewandt haben. John Maynard Keynes schrieb einst, dass „praktische Menschen, die sich selbst für relativ immun gegenüber geistigen Einflüssen halten, gewöhnlich die Sklaven irgendeines verblichenen Ökonomen“ seien. Die meisten Mitglieder der heutigen Ökonomengilde sind freilich nicht verblichen, sondern weiter in der ideologischen Nachbarschaft Chicagos tätig. Man sollte ihre Annahmen rücksichtslos bloßstellen, denn sie hätten es fast geschafft, unsere Welt zu zerstören."

Keynes war es auch, der bereits rund um die letzte große Weltwirtschaftskrise die grundlegenden Ideen von Silvio Gesell für ein anderes Geld lobte. Geschichte wiederholt sich eben doch - hoffentlich nur in Teilen!

Dienstag, 5. Mai 2009

Lachen statt Lesen, Teil II: Erwin Pelzig über fließendes Geld

Die Idee fließenden Geldes macht die Runde. Nach der New York Times und der Financial Times Deutschland hat nun auch das ZDF das Thema etwas konkreter aufgegriffen, in "Neues aus der Anstalt" (ab Minute 8:32)...



Im vergangenen Jahr hatte sich Kabarettist Georg Schramm die Schulden des Bundes als Thema vorgenommen - ebenfalls sehenswert!

Dienstag, 28. April 2009

Waffen für mehr Wachstum

Der neue deutsche Exportschlager stellt die Abwrackprämie und selbst das eine oder andere Rettungspaket locker in den Schatten. Denn wenn es darum geht, für ein dauerhaftes Wachstum zu sorgen, geht nichts über Waffen. Die Produktion von U-Booten, Panzern und anderem Kriegsgerät sorgt für volle Kassen in der Rüstungsbranche. Die damit zerstörte Infrastruktur muss wieder aufgebaut, die getöteten und verletzten Zivilisten und Soldaten bzw. deren Angehörige versorgt werden, die verbrauchten Sprengköpfe und Munition muss nachgeliefert werden und so weiter und so fort...

Im Vergleich zu den fünf Jahren zuvor hat Deutschland zwischen 2004 und Ende 2008 nun ein Plus von 70 Prozent beim Waffenexport zu verzeichnen. Ein Zehntel aller Rüstungsprodukte weltweit ist made in Germany. Nur die USA und Russland verkaufen mehr Tötungsmaschinerie. Deutschland profitiert derzeit nach Angaben des Friedensforschungsinstituts Sipri von der besonderen Nachfrage nach vor allem hierzulande gefertigtem Kriegsgerät. Aber auch weltweit gibt es ein fettes Plus von mehr als zwanzig Prozent.

Wer Frieden will, müsste also offenbar auf Wachstum verzichten. Aber können wir uns das überhaupt leisten? Besonders stark jedenfalls scheint der Wille im inzwischen als friedliebend geltenden Deutschland nicht ausgeprägt zu sein. Auch wenn uns allmählich in vielen Bereichen vor Augen geführt wird, welche Folgen der Zwang zum unendlichen Wachstum hat.

Montag, 20. April 2009

Das FAIRCONOMY-Prinzip in der New York Times

Nach seinem Blog-Eintrag hat Harvard-Prof. Mankiw nun eine größere Bühne gewählt: die New York Times. Darin spricht er sich für eine konstruktive Umlaufsicherung aus, wie sie auch die INWO vorschlägt.

Anfang Mai will die Europäische Zentralbank "über zusätzliche Maßnahmen unkonventioneller Geldpolitik" beraten. Sie sollte Mankiw einladen!

Mittwoch, 15. April 2009

Der Selbstbetrug geht weiter

Immer größer wurde der Druck von Banken und Politikern in den vergangenen Monaten, vor allem da schon bald die nächsten Quartalsergebnisse verkündet werden müssen. Nun hat die zuständige Behörde mal wieder nachgegeben: US-Geldhäuser dürfen sich zukünftig selbst aus der Krise hinausbewerten. Während die Börse jubelt, schlagen sogar herkömmliche Experten die Hände über dem Kopf zusammen:

"Ich halte diese Änderungen für eine Katastrophe. Damit wird der Willkür in der Bilanzierung Tür und Tor geöffnet."
Dieter Hein, Analysehaus Fairesearch (laut Reuters)

FASB heißt die in den USA für Rechnungslegungsvorschriften zuständige Behörde. Sie hat die bisher geltenden Regeln für die Bewertung von Wertpapieren gelockert. Demnach können die US-Banken "mehr Wertpapiere nach eigenen Modellen bepreisen und müssen nicht die teils massiv gesunkenen Marktpreise in ihren Bilanzen als Basis verwenden". Das heißt: ab sofort weniger Abschreibungen und wieder mehr Leichen im Keller!

Und es kommt noch besser - zumindest für die an kurzfristigem Jubel interessierten Börsianer: Die für Europa zuständige IASB wird wohl nachziehen. Wahrscheinlich weil es sonst zu einer Wettbewerbsverzerrung im Rennen um den nächsten Höhepunkt der Finanzkrise kommen könnte. So viel zum Transparenz-Geschwafel der G20-Regierungschefs, die ihr Geschwätz von gestern anscheinend so rein gar nicht interessiert. Weltweit einheitliche und nachhaltige Standards sind weiterhin nicht in Sicht. Der nächste Crash dagegen schon.

Noch ein Nachtrag/Osterei: Vergesslicher oder gütiger Staat?

Den Seinen gibt's der Staat im Schlaf. Seinen Mitarbeitern? Nein. Seinen Steuerzahlern? Nein. Seinen Kapitalgebern! Und zwar reichlich.

Zig Milliarden (entspricht je 1000 Millionen!) hat der Staat für die vorläufige Rettung der Hypo Real Estate (HRE) ausgegeben. Nun sollen aber auch noch die Aktionäre ihren Anteil an Steuergeld erhalten: satte 290 Millionen Euro für den kläglichen Rest der "Wert"-Papiere.

Robert von Heusinger hat dazu in der Frankfurter Rundschau ein lesenswertes Lehrstück verfasst. Darin erfährt man, dass es auch ganz ohne "Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz" und eine teure Aktionärsabfindung gegegangen wäre. Ausreichend wäre das leicht angestaubte Kreditwesengesetz (KWG).

Offenbar ist es auch im Fall der Managerboni so, das geltendes Recht entsprechenden Spielraum für politische Entscheidungen lässt. Die Interessen scheinen aber anders zu liegen. Jedenfalls nicht beim Steuerzahler, noch nicht mal, was die von Politik und Massen geteilte (und wunderbar ablenkende) Empörung über die gerigen Bänker (=Sündenböcke) angeht.

Besonders interessant ist die Begründung für Lehre Nr. 3, die Heusinger zieht und der Regierung dringend ans Herz legt: "Blickt man auf die vergangenen 110 Jahre Bankenkrisen, fällt auf, dass es nur eine Phase gab, in der es international so gut wie keine Krise gab. Das war die Epoche zwischen 1944 und 1972."

Mal abgesehen davon, dass es auch in dieser kurzen Periode einige Finanzkrisen gab: Es ist die Zeit, in der die Geldvermögen (und vor allem ihre Ansprüche am Gesamtkuchen!) auch in Deutschland noch überschaubar waren. Womit wir wieder bei den Kapitalgebern wären. Es braucht also noch eine vierte Lehre: Statt einer Schuldenbremse ist eine nachhaltige Vermögensbremse nötig, die das Wachstum beider Krisenfaktoren begrenzt.

Montag, 6. April 2009

Politik und Banken: Mein Name ist Hase...

Schleswig-Holsteins ehemaliger Wirtschaftsminister Werner Marnette liefert in einem SPIEGEL-Interview interessante Einblicke in die Zusammenarbeit von Politikern und (Landes-)Bankern. Seine Warnungen wollte anscheinend niemand hören und Zahlen gab es nur auf Umwegen - nur die gewünschten Steuermilliarden wurden offenbar genau beziffert.

"Ich hatte es mit Politikern zu tun, die sich scheuten, Zahlen zur Kenntnis zu nehmen und sich damit auseinanderzusetzen. Frei nach dem Motto: Wer sich gründlich mit Zahlen beschäftigt, wird zum Mitwisser und kann als solcher haftbar gemacht werden."

Es ging ja auch nur um drei (!) Milliarden Euro plus zehn (!) weitere Milliarden staatliche Bürgschaften... Bei der Recherche für den Vergleich mit dem Landeshaushalt (9 Milliarden in Schleswig-Holstein, 3,7 Milliarden in Hamburg), gab es dann noch einen interessanten Zufallstreffer - in der Haushaltsrede des Finanzministers:

"Wir nehmen auch weiterhin neue Schulden auf, um damit Zinsen für die alten Schulden zu bezahlen. Die Zinsen für die aufgelaufene Schuldenlast steigen gegenüber 2005 um 236 Mio. Euro auf über 1,1 Mrd. Euro, bis 2012 sogar auf deutlich über 1,2 Mrd. Euro. Das ist eine Steigerung von 27 Prozent in fünf Jahren und sogar 41 Prozent in 7 Jahren. Gegen solche Lasten der Vergangenheit kann man kaum ansparen. Und wir können nur hoffen, dass sich die Zinsentwicklung stabilisiert. Seit 2006 nehmen wir nur noch neue Schulden auf, um damit die Zinsen für die Altschulden zu bezahlen. Das ist eine finanzpolitisch tödliche Spirale."

Schon ziemlich viele erschreckende Zahlen (sofern man sie zur Kenntnis nimmt), aber eine simple vergleichende Rechnung kann ich mir trotzdem nicht verkneifen:

3 Mrd. Euro Finanzspritze
+ 10 Mrd. Bürgschaft
= 13 Mrd. Staatsknete für die HSH

3,7 Mrd. Euro Haushalt in Hamburg
+ 9 Mrd. in Schleswig-Holstein
= 12,7 Mrd. Staatsknete insgesamt

12,7 Mrd. im Haushalt 2009 vs. 13 Mrd. für die HSH*

(*bezeichnenderweise Namensgeber des Volksparkstadions)

Freitag, 3. April 2009

Das Märchen der Deutschen Bank

Dass die Deutsche Bank "bislang kategorisch auf Staatshilfe verzichtet", ist ein Gerücht, dass sich leider noch immer hartnäckig in den Medien hält. Immerhin war bereits zu lesen, dass die Deutsche Bank für ihre Geschäfte mit dem Versicherungskonzern AIG 12 Milliarden Dollar US-amerikanischer Staatshilfe kassiert hat und dass Ackermann nun nur noch behaupten könne, ohne deutsche Staatshilfe auszukommen.

Doch auch das ist falsch! Die Deutsche Bank hat hierzulande ebenso Steuergelder in Milliardenhöhe erhalten. Sowohl der Deutschen Industriebank (IKB) als auch der Hypo Real Estate (HRE) haben Ackermann und seine Investmentmanager reichlich faule Papiere angedreht.

Wie in den USA werden die Rechnungen der Deutschen Bank nun mit Staatsknete bezahlt. Damit dürfte die Deutsche Bank weltweit zu den größten Profiteuren der Staatshilfen gehören!

Aber wie immer an dieser Stelle der wichtige Hinweis: Nichts gegen diese Bank oder gegen einzelne Banker: Im Endeffekt halten sich alle nur an die Vorgaben des alles andere als nachhaltigen Finanzsystems.

Donnerstag, 26. März 2009

Erst informieren, dann mitreden!

Faszinierend, welche unfassbar schnellen Reflexe die Wachstumskritik von Bundespräsident Köhler auslöst. Die Ökonomen, die die Krise weder verhindert noch vorhergesagt haben, greifen das Staatsoberhaupt auf direktem Wege an.

Ein Nachdenken findet trotz zahlloser guter Gründe offenbar überhaupt nicht statt - zumindest bei den Wortführern, die bei Köhler eine "erste Spur der Resignation" ausmachen und trotz immer häufiger platzender Blasen eine weiterhin auf Wachstum ausgerichtete Politik fordern.

Was sich Köhler in seiner Berliner Rede auch gewünscht hat, war "eine angemessene Selbstkritik der Verantwortlichen". Schön wäre es, wenn Sie zumindest erstmal in Ruhe nachdenken und sich mit der Wachstumskritik tatsächlich auseinander setzen würden!

Mittwoch, 25. März 2009

US-Eliteuni entdeckt die FAIRCONOMY

Üblicherweise unterrichtet er Volkswirtschaftslehre an der Harvard-Universität oder schreibt Standardwerke wie "Grundzüge der Volkswirtschaftslehre" oder "Makroökonomik". Nun hat sich Nicholas Gregory Mankiw alias N. Gregory Mankiw alias Greg Mankiw von einem seiner Studenten inspirieren lassen.

Und was ist dabei heraus gekommen? Eine ziemlich geniale Idee, die sich nicht als die neuste heraus gestellt hat, wohl aber das Zeug zu einer echten Waffe der Finanzpolitik hat, nachdem die Leitzinssenkung der US-Zentralbank sich genauso als Rohrkrepierer heraus stellen dürfte wie die jüngste staatliche Billionen-Dollar-Investition.

Ein Kollege hat Mankiw darauf gebracht, dass Silvio Gesell auf die gleiche Idee gekommen ist - vor weit über einhundert Jahren. Und es kommt noch besser: Offenbar liest man auch im US-Finanzministerium die Blogeinträge des Harvard-Professors. In einem seiner Texte beschwert er sich nämlich darüber, dass er für seine im Oktober 2008 entstandene und nun von der Regierung vorgebrachte Idee nicht mal zitiert worden ist. :-)

Es besteht also nicht allzu viel Hoffnung für das G20-Treffen Anfang April. Aber so im Laufe des Septembers könnte es dann etwas werden mit einem konkreten Vorschlag für ein nachhaltiges Finanzsystem. Bis dahin empfiehlt sich die Lektüre einer aktualisierten Fassung des Gesell-Ansatzes: "Das Geldsyndrom" von Helmut Creutz (coming soon in English - get a bookmark NOW).

Fotos am Times Square statt Hilfe für Opel

Mit viel Tamtam schaltet sich ein Politiker nach dem anderen in die staatliche Rettungsaktion für Opel ein. Diesmal war Wirtschaftsminister Guttenberg an der Reihe und bekam danach ausgerechnet von Hessens Ministerpräsident Koch Unterstützung. Während SPD und Gewerkschaft die Ergebnisse der USA-Reise als wenig hilfreich einordneten, war Koch laut SPIEGEL "angetan".

Bemerkenswert sind dagegen die konkreten Aussagen von Koch, der die Opel-Mitarbeiter auf weitere Zugeständnisse einstimmte: "Um die Schließung von Werken oder Werksteilen zu verhindern, seien noch größere Opfer der Arbeitnehmer die Voraussetzung, sagte der CDU-Politiker der "Leipziger Volkszeitung'."

Auch in der Krise gelten also die alten Spielregeln: Alle müssen den Gürtel enger schnallen, mit Ausnahme von Banken, anderen Beziehern leistungsloser Einkommen und reiselustigen Politikern.

Montag, 9. März 2009

Irrtum oder Absicht?

Prof. Dr. Hanno Beck, Volkswirtschaftler und Publizist, hat in einem kurzen Kommentar für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) die "Freigeldlehre" in die Mangel genommen. Heraus gekommen ist dabei unter anderem das hier:

"Auch der Zins steht nach der Auffassung vieler Anhänger alternativer Geldpolitik einer gesunden Wirtschaft entgegen, weswegen er abgeschafft werden solle."

Da er in den Zeilen zuvor (im gleichen Absatz) von Freigeldlehre, Schwundgeld und Freigeldanhänger[n] schreibt, bezieht er wohl auch diesen Satz auf die "Freigeldlehre". Das Problem daran ist: Die Aussage ist falsch. Vom Abschaffen des Zinses ist beim Freigeld (siehe auch Fließendes Geld, FAIRCONOMY, Freiwirtschaft, Humanwirtschaft, Humane Wirtschaft) nie die Rede.

INWO-Autor Helmut Creutz beschreibt diesen sehr gängigen Irrtum unter der Fragestellung "Zinsen verbieten, abschaffen oder senken?". Ein INWO-Kommentar hat diesen Reflex wissenschaftlicher "Experten" bereits vor einigen Tagen erahnt.

Durchaus möglich, dass es sich auch bei Prof. Beck um einen (vor allem für die FAZ und den Professor) bedauerlichen Irrtum handelt, der durch eine kurze Recherche (geschickterweise gleich so) zu verhindern gewesen wäre. Kann aber auch sein, dass hier (wie dort) absichtlich Stimmung gemacht wird, anstatt sich in einen ernsthaften Diskurs zu begeben.

Donnerstag, 5. März 2009

Ein Blick in den RückSPIEGEL

Ein interessanter Blick in die jüngste Geschichte der Finanzpolitik: Bundesfinanzminister Eichel holte die Hedgefonds aus der Schmuddelecke, Lobbyisten schrieben (und schreiben!) in den Ministerien an Gesetzen mit und Hessens Ministerpräsident Roland Koch wollte den Börsenplatz Frankfurt zu einem noch deregulierteren London (siehe auch Let's make money) machen.

Kaum zu glauben, wie sich die Zeiten und die Aussagen der Politiker ändern! Oder, um es mit den Worten des aktuellen Finanzministers und ehemaligen Finanzmarktfans Peer Steinbrück zu sagen:

"Erkenntnis und Hochverrat ist immer eine Frage des Datums"

Mittwoch, 25. Februar 2009

Geldkritik an der Börse

Schon seit einiger Zeit macht sich Raimund Brichta, Moderator und Börsenexperte von n-tv, Gedanken über die Ursachen der Finanzkrise und immer häufiger kommt er dabei auf das Geldsystem zu sprechen. In seiner jüngsten Kolumne für telebörse.de hat Brichta wieder sehr deutliche und interessante Worte gefunden. Thema ist die "verfassungsrechtliche Schuldenbremse" unter der Überschrift "Volksverdummungskommission":

"Eher bringt uns der Klapperstorch ein Menschenbaby genau an jenem Tage, an dem Weihnachten und Ostern zusammenfallen, als dass der Staat mit dem Schuldenmachen aufhört. Staatsschulden werden niemals zurückgezahlt. Im Gegenteil: Sie wachsen immer weiter. Sie MÜSSEN sogar wachsen, damit unser Geldsystem überhaupt funktioniert. Der Staat kann also gar nicht mit dem Schuldenmachen aufhören, selbst wenn er dies wollte."

Aus seinen Recherchen für ein neues Buch (unter anderem bei der INWO) hat sich offenbar das Projekt "Liebe Angela Merkel" ergeben, das Brichta maßgeblich unterstützt - mindestens so spannend wie außergewöhnlichen Kolumnen des TV-Journalisten und sicherlich kein Zufall, dass nun auch andere Börsenexperten die marode Geldordnung kritisieren.

Mittwoch, 18. Februar 2009

Merkel und die Managerboni

Ja, es ist abstrus, dass Manager Bonuszahlungen erhalten, deren Banken mit Steuermilliarden vor der Pleite bewahrt werden müssen. Aber dass die Kanzlerin (und andere Politiker) deswegen nun plötzlich als populistische Teilzeit-Kapitalismuskritiker daher kommen, tut schon fast weh. Vor allem wenn man erkennt, dass sich die grundlegende Denke kein Stück geändert hat. Das zeigt sich, wenn nach den markigen (Vorwahlkampf-)Sprüchen dann auch konkrete Änderungsvorschläge zum Vorschein kommen.

Laut Unionsfraktionschef Kauder will die Große Koalition die Sondervergütungen für Manager begrenzen und begründet das bei SPIEGEL online folgendermaßen: "Wir wollen, dass Bonuszahlungen in Zukunft mehr dem langfristigen Interesse der Firma und nicht dem kurzfristigen Interesse von Managern dienen."

Wie die "langfristigen Interessen einer Firma" zumeist aussehen (müssen), kann man derzeit weltweit bei einigen Banken und anderen börsennotierten Unternehmen sehen: Es geht einfach nur um kurzfristigen maximalen Profit, denn immer wieder stehen die nächsten Wahlen, äh, nein, Quartalsberichte an. Eine langfristige Perspektive rechnet sich einfach nicht. Für die müssen dann im Notfall der Staat bzw. die Steuerzahler aufkommen.

Erschreckend, dass Politiker und andere "Experten" die Schuld wieder und weiter bösen oder gierigen Bankern, geldgeilen Firmen oder anderen schwarzen Schafen in die Schuhe schieben wollen anstatt den systemischen Ursachen auf den Grund zu gehen und damit für ein Finanzsystem zu sorgen, dass dem Menschen dient.

Mittwoch, 4. Februar 2009

Finanzsystem: Nur drei Stunden bis zum Kollaps

Nach und nach stellt sich heraus, was sich die meisten eh schon gedacht hatten: Die Finanzmärkte standen in den vergangenen Monaten zumindest einmal vor dem Super-GAU. In Großbritannien haben laut Daily Mail ganze drei Stunden gefehlt.

Noch etwas deutlicher wurde der britische Wirtschaftsminister (während die meisten anderen Verantwortlichen weiter schön zu reden versuchen, was offenbar nicht mehr schön zu reden ist):

"The banks are fucked, we’re fucked, the country’s fucked!" oder auch verkürzt: "Wir sind am Arsch!"

Montag, 12. Januar 2009

Wörtlich genommen: die stille Einlage

Nach dem von den Medien als Teilv**staat****ung interpretierten Einstieg des Bundes bei der Commerzbank versuchen Politiker die Wogen zu glätten. Der Staat werde trotz des 1,8 Milliarden Euro teuren Aktienkaufes keinen Einfluss auf die Bankgeschäfte nehmen und sehr bald wieder aussteigen - "sobald die akute Notlage überstanden ist", so Bundeskanzlerin Merkel.

Die Commerzbank selbst schätzt das allerdings völlig anders ein. Sie geht von einer längerfristigen Beteiligung des Bundes als Großaktionär aus. Vorstandschef Blessing sagte, er rechne nicht damit, dass die Regierung ihren 25-Prozent-Anteil in den nächsten zwei bis drei Jahren wieder verkauft.

Ein weiterer eklatanter Widerspruch, bei dem vorsichtshalber von den übrigen 16,4 Milliarden Euro gar nicht erst die Rede ist. Denn wer weiß schon so genau (oder auch nur in etwa), was aus diesen Steuergeldern werden wird. Passenderweise heißt dieser Teil des Staatsinvestments auch "stille Einlage".

Einsichten und Weisheiten zum Jahreswechsel

Nach einem turbulenten Jahr scheinen einige rund um Weihnachten doch zur Besinnung gekommen zu sein. Das lässt für 2009 auf deutlich mehr Realitätssinn hoffen. Nicht nur im wissenschaftlichen, sondern auch im alltäglichen Bereich.

Sinnbildlich dafür stehen ein sehr ernstes Zitat von Jean Pisani-Ferry* und eine unterhaltsame anonyme Investment-Abrechnung.

"Die Krise sollte uns Wirtschaftswissenschaftler demütig machen, uns vor Augen führen, wie viele Fehler wir machen können. Wir haben diese verheerende Krise trotz Erfahrungen, etwa in Asien Ende der 90er Jahre, nicht vorhergesehen und den Finanzmärkten zu viel zugetraut. Ich habe mir nicht vorstellen können, dass der freie Kapitalmarkt bei der Einschätzung der Risiken so versagt."

"Wer vor 18 Monaten Commerzbank-Aktien für 1 158,48 Euro kaufte, der hat jetzt noch 312,79 Euro übrig und vermutlich seine Nerven verloren. Hätte man dagegen vor 18 Monaten 1 158,48 Euro in [Markenname] Pils investiert, dann hätte man jeden Tag ein Bier trinken können, hätte den Regenwald gerettet [durch die Spendenaktion der Marke] und hätte zudem heute noch Leergut im Wert von 223,20 Euro."

In diesem Sinne: Prosit Neujahr!

* einer der einflussreichsten Makro-Ökonomen Europas, Leiter des Brüsseler Think Tanks Bruegel (!), VWL-Professor an der Uni Paris-Dauphine, Berater der EU-Kommission und des französischen Präsidenten