Samstag, 29. Oktober 2011

Zinskritik bei Beckmann in der ARD

Der ARD Talkmaster Beckmann hat in seiner Sendung vom Donnerstag den 27.10.2011 drei prominente Zinskritiker zu Wort kommen lassen. Ein weiterer Hinweis darauf, dass die freiwirtschaftliche Zinskritik mit dem drohenden Zusammenbruch des Währungsgefüges salongfähig wird.  Europa vor dem Abgrund – wie sicher ist unser Geld? lautete der Titel der Sendung. Dem aufmerksamen Zuschauer wurde klar, dass es grundlegende Korrekturen braucht und dass mit der Umlaufsicherung für Geld auch Ideen vorliegen.


Tristan Abromeit fasst das Wesentliche der Talkrunde zusammen.
Mir wurde die Sendung als etwas Besonderes angekündigt, weil dort Franz Hoermann, Professor für Unternehmensrechnung in Wien auftreten würde, der für die Abschaffung des Geldes eintreten würde. Siehe auch: www.Hoermann/new

Die Hauptgesprächsteilnehmer von Reinhold Beckmann waren: Ex-Finanzminister Theo Waigel, Wirtschaftsminister Philipp Rösler sowie Börsenexperte Dirk Müller.Erst konnte ich der Sendung nicht viel abgewinnen, da das, was gesagt wurde, in den letzten Tagen schon x-mal in den Medien gesagt wurde. Als ich schon als Zuschauer kapitulieren wollte, zog Beckmann dann doch noch zusätzliche Gäste in das Gespräch ein. Es war ein Verbraucherschützer und ein Vorstandsmitglied der GLS-Bank, nämlich Andreas Neukirch. Die GLS-Bank an deren Vorüberlegungen zur Gründung ich Anfang der 70er Jahre beteiligt war stellt sich auf ihrer Homepage wie folgt vor: Die GLS Bank ist die erste sozial-ökologische Universalbank der Welt. Mit uns investieren Sie in menschliche Bedürfnisse, bewahren und entwickeln die natürlichen Lebensgrundlagen und erzielen eine angemessene ökonomische Rendite sowie Entwicklungschancen für die Zukunft ..“
Hinzu kamen dann noch der Gründer der Regionalwährung CHIEMGAUER Christian Gelleri und dann noch der angekündigte Prof. Hörmann, der von der Zuschauerbank in die Tischrunde eingeladen wurde. Was mit dem Chiemgauer bewirkt werden soll, kann unter http://www.chiemgauer.info/ in Erfahrung gebracht werden. 

Personen und Äußerungen die für mich dann letztlich doch bemerkenswert waren:

Zu Philipp Rösler: Er ist ja ein netter Kerl, seine Beiträge hören sich dann aber wie im Schnellverfahren angeeignete Sprachregelungen seiner Partei an. Die Verlautbarungen der FDP insgesamt lassen nicht erkennen, daß das liberale Basiswissen der Freiwirtschaft in der FDP angekommen ist. Sowohl die diesbezüglichen Bemühungen vom Vorstandsmitglied des Seminars für freiheiliche Ordnung, Eckard Behrens, wie auch meine eigenen in fast zehnjähriger Mitgliedschaft in der FDP haben nicht gefruchtet. Außerdem macht Rösler – um seine Kompetenz und die der FDP zu unterstreichen - den Fehler, sich auf FDP-Größen zu berufen, die ja durch ihre politische Fehlsichtigkeit die heutige ökonomische Situation mit verursacht haben.

Zu Theodor Waigel: Hier sind es drei Aspekte, die mir in Erinnerung geblieben sind:
a) Waigel legte dar, daß der Euro kein Produkt der politischer Erpressung der Franzosen war, die den Euro als Preis für die Zustimmung zur Vereinigung der beiden deutschen Republiken diktiert hätten. Die Vorbereitungen zur Einführung des Euro seien schon angelaufen, als die Vereinigung noch nicht in Sicht war.

b) Waigel begrüßte ausdrücklich die Regionalwährungen und sah sie nicht im Gegensatz zum Euro.
Waigels Aussagen zur Stabilität (Preisniveaustabilität) des Euros waren nicht ganz ohne Widerspruch. Was ich hier erwähnen möchte, ist, daß er sagte, die EZB hätte den Ankauf von (zweifelhaften) Staatsanleihen an anderer Stelle kompensiert, so daß vom Ankauf keine inflationären Gefahren ausgehen. Wenn dem so ist, hat die EZB gute Werte (Devisen, gute Forderungspapiere oder Gold) gegen schlechte ausgetauscht. Daß bedeutet dann aber, daß die Verluste aus den faulen Papieren sozialisiert wurden bzw. werden. Wer sich mit den Statistiken der EZB befaßt sollte das überprüfen.

Zu Dirk Müller: Dirk Müller, der zur Zeit ein gefragter Gast in Talkshows ist, hat einmal mehr den Zusammenhang von Schulden und Forderungen herausgestellt. Auch betonte er erneut, daß das auf Zins- und Zinseszins basierende Wirtschaftssystem immer wieder zusammenbrechen müßte. Seine Schwäche ist sein Verständnis vom Geld, womit er seine Aufklärungsbemühungen selber torpediert. Die Annahme, das die Banken Geld schöpfen könnten, führen seine Aussagen in eine Konfusion, die auch die Freude der Natürlichen Wirtschaftsordnung zu schaffen macht.

Zu Christian Gelleri: Erfreulich war, daß er in Kurzform das Prinzip der Umlaufsicherung des Geldes vortragen konnte. Zu diesem Thema müssen die Redaktionen der Medien mehr Informationen erhalten, damit bei ihnen das Bedürfnis sich entwickelt, die Umlaufsicherung des Geldes zu einem Hauptthema von Sendungen zu machen.

Zu Franz Hoermann: Das Bemerkenswerteste ist für mich die Tatsache, daß die Redaktionen unter dem Druck, die Vorgänge um Verschuldung und Währung nicht richtig erklären zu können, sich auch für Außenseiter öffnen. Über Hörmanns Ansichten insgesamt zu urteilen, steht mir schlecht an, weil ich zu wenig von ihm gelesen und gehört habe. Er scheint aber wesentliche Positionen von Dirk Müller zu teilen. Die Idee, daß Geld abschaffen zu wollen, ist sicher eine Theorie-Verirrung und wäre mit der Durchsetzung ein Rückschritt, weil sowohl die Arbeitsteilung wie auch die Preisbildung das Geld zur Voraussetzung haben. Wir können den Bemühungen von Prof. Hörmann aber auch Positives abgewinnen, denn auch Verirrungen vermögen erstarrte Theorie-Fronten aufzubrechen. Und nichts ist wichtiger als das offene, vorurteilslose Gespräch über unsere Ökonomie insgeamt und über das Geld ins besondere. 

 Tristan Abromeit, 28.10.2011 
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Sonntag, 18. September 2011

Bloggen verbessert die Ökonomische Forschung.

Diese Erkenntnis lässt hoffen.
"Nach einer neuen Weltbank-Studie ist klar: Nicht nur Qualität und Quantität der Ökonomie-Blogs steigen, der Einfluss von Bloggern auf die ökonomische Forschung ist ebenfalls deutlich höher als gedacht,"dokumentiert das Handelsblatt.  Das lässt hoffen, werden unter dem Namen Wissenschaft im Bereich der Ökonomie grundlegende Erkenntnisse gerne Ignoriert. Beispielsweise wird exponentielles Wachstum als Notwendigkeit in fast allen Theorien als notwendige Voraussetzung angenommen, anstatt danach zu fragen, wie man auch ohne Wachstum Wohlstand sichern kann. Positive Zinssätze werden als "Verzicht auf Liquidität" postuliert, anstatt danach zu forschen, wie man Geld auch bei fallenden Zinssätzen in Umlauf hält. Die Abneigung gegen "Feldversuche" mit einer umlaufgesicherten Währung kommt einer allergischen Reaktion nahe. Forschung, über die Chancen einer Umlaufgebühr auf Geld, findet praktisch nicht statt. Gut, wenn der gesunde Menschenverstand von Bloggern Schwung in die verstaubten Theorien blasen kann. Wir haben es dringend nötig. Lesen Sie hierzu: www.handelsblatt.com

Freitag, 26. August 2011

Nachdenken über Nachdenkseiten

Kritische Bürger fragen sich zu recht, warum die Kritik an den Zinskosten in linken Kreisen so wenig Resonanz findet. Obwohl Konzerne nicht selten mehr Geld für Zins und Dividende ausgeben als für Löhne und obwohl Defizite öffentlicher Kassen ohne die Zinslasten gar nicht erst entstehen würden, weigern sich gewerkschaftsnahe und sozialdemokratische Ökonomen kollektiv, über den Zinsmechanismus kritisch nachzudenken. Und wenn man dem beharrlichen Nachfragen der Basis nachgibt, und sich der Zins Kritik stellt, widerlegt man Scheinargumente, anstatt sich mit der seriösen Zinskritik auseinandersetzen. Beinah exemplarisch die Veröffentlichung auf den Nachdenkseiten von Jens Berger am 23. August, die Wolfgang Ramming zu der folgenden Reaktion veranlasste. 

Sehr geehrter Herr Berger, liebe Nachdenkseiten-Redaktion,
diese Kritik an der Zinskritik ist eine Steilvorlage für alle Zinskritiker. Zumindest für die seriösen. Ich bin Mitglied der INWO  und repräsentiere die Regionalgruppe Frankfurt/Main. Ich bin knapp mit Zeit und möchte Ihre Kritik kurz und knapp entkräften:

Die "seriöse" Zinskritik möchte "den" Zins nicht abschaffen (es gibt "den" Zins nicht, eher eine Zinsstruktur) sondern lediglich neutralisieren. Er muss die Möglichkeit haben, auch unter null zu sinken (auf den Guthabenzins bezogen) und der Kreditzins wird immer mit einer gewissen positiven Differenz zum Guthabenzins darüber liegen, wie Sie es in Ihren Abschnitten "Zins aus Sicht des Kreditnehmers" und "Zins aus Sicht des Kreditgebers" auch schon richtig beschrieben haben.

Einige Hinweise nur als Stichworte:
"Inflationsausgleich" - woher kommt die Inflation, wie hoch ist der Zins, wenn Deflation herrscht?
"Risikoprämie" - wie hoch ist das Risiko bei unseren Banken in Deutschland heute? Die Bank hat ein Risiko und nimmt dafür (und für die Deckung der Kosten) die Differenz aus Guthaben- und Kreditzins.
"Preis für das Warten"? Wie lange legen Sie durchschnittlich Ihr Geld an? Bei der Bank, die ja nebenbei noch Fristentransformation betreibt, kommt da wieder die oben genannte Differenz zum Tragen.

Für den Kreditgeber "Bank" ist nicht zwingend der Zins positiv, lediglich muss die Differenz zwischen Guthabenzins, den sie an die Einleger zahlen muss, und dem Kreditzins, den ihre Kreditnehmer zahlen, positiv sein!

Zu Ihrer Anekdote "Josephspfennig" musste ich schon schmunzeln, denn keinen anderen Zweck, als die ökonomische Unmöglichkeit immerwährenden positiven Zins darzustellen, hat diese Anekdote.

Sie sagen "In der Realität wäre zumindest ein Teil des verliehenen Geldes durch Kreditausfälle „vernichtet“ worden". Dann erklären Sie, wie beim heutigen Banksparen, Kreditausfälle an Sparer weitergegeben werden. In geringem Maße sind sie durch die Bank zu decken, über Rückstellungen, Eigenkapital, etc. Aber wenn dies diese übersteigt? Dafür muss es negative Zinsen auf Guthaben geben (negative, keine abgeschafften Zinsen) um Guthaben abzuschmelzen. Die Flucht in Bargeld? Das soll mit Umlaufgebühr belegt sein.

Bereits 2003 hat die Fed of Dallas zur Umlaufgebühr zum Brechen der zero-Interest-rate etwas veröffentlicht (diese Quelle sollte grundsätzlich unverdächtig sein für "Kritiker der Zinskritik"): http://www.dallasfed.org

Bei Ihrer Kritik an dem Zins der im Gegensatz zum geschöpften Geld in der Welt bleibe, sind Sie wirklich sehr plumpen Zinskritikern auf den Leim gegangen (ich vermute "Der Goldschmied Fabian").

Schwieriger wird es schon bei dem Wachstumszwang. Der Schluss geht so: Exponentielles Wachstum (und das erzeugt nun einmal positiven Guthabenzins) der Guthaben erzwingt exponentielles Wachstum der Schulden (die Banken sind die Vermittler -Intermediäre- dazwischen). Das geht nicht anders, da die Bankbilanz ausgeglichen sein muss und keine Schuld ohne Guthaben existieren kann. Die steigende Last der Zinsen auf die Wirtschaft durch die Kreditnahme, muss von der Wirtschaft erwirtschaftet werden. Schafft sie es nicht, schrumpfen alle Einkommen außer eben derer aus Zinsen. Werden die Zinsen nun gesenkt (eigentlich bilden sie sich am Markt aus Angebot und Nachfrage und der Notenbankzins hat damit nur am Rande zu tun, auch wenn uns immer was anderes erzählt wird) schafft das vorübergehend Erleichterung. Aber sie können eben nicht beliebig sinken, wegen der magischen Nullgrenze, und bei Erreichen dieser kommt die Liquiditätsfalle zum Tragen.

Ich empfehle Ihnen, wenn ich darf, sich mit seriöser Zinskritik zu befassen (die die Höhe, nicht die Existenz des Zinses kritisiert).

Danke für Ihr Engagement, ich lese regelmäßig mit, habe auch schon die Zinskritik an Sie herangetragen (Herrn Albrecht Müller vor einigen Jahren und schon damals eine "Abfuhr" erhalten) und stöhne jedes mal auf, wenn Sie zwar richtig die Symptome erkennen und kritisieren aber dank Ausblendung fundamentaler Systemfehler eben auch keine Lösung außer "Wachstum, Wachstum, Wachstum" und entsprechend Keynesianische Politik anbieten können.

Weiter Texte und Standpunkte finden Sie auf: INWO.de

Mein Literaturtipp: „Das Geldsyndrom“ von Helmut Creutz

Mit freundlichen Grüßen,
Wolfgang Ramming






Donnerstag, 25. August 2011

"Die zweite Welle" - Münchner Merkur

Es ist zweifellos ungewiss, ob der "zweiten Welle" erst noch eine dritte, vierte oder fünfte folgt, aber ganz gewiss ist, dass am Ende ein Zusammenbruch stehen wird! Denn ein System, das dauernd wachsen muss um zu existieren, hat in einer begrenzten Welt keine andere Chance. 
 
Ursache dieses Wachstums-Dilemmas ist jener Vorgang, den die Bundesbank bereits 1993 einmal als "Selbstalimentation der Geldvermögen durch die Zinsen" bezeichnet hat, also jenen Automatismus, der unsere Geldvermögen seit 1950 mit Verdopplungsraten wachsen lässt und im Gleichschritt damit auch den Verschuldungszwang! Und das gilt auch für den Staat, dessen Schuldenaufnahmen  seit 1970 bis heute zwar von 70 auf 2.080 Mrd € explodiert, aber zu vier Fünfteln in den Zinsendienst geflossen sind! -
 
Am Ende einer solchen Schuldaufnahme- und Zinszahlungslawine blüht uns dann, nach einem letzten Fluchtversuch in die Inflation, wieder eine "Währungsreform", bei der jedoch in Wirklichkeit nichts reformiert, sondern mit den gleichen Fehlern nur erneut begonnen wird! Deshalb ist es höchste Zeit, uns über eine wirkliche Reform unseres Geldsystems Gedanken zu machen und eines vorzubereiten, das ohne monetäres Überwachstum funktioniert und damit ohne Gefährdung des sozialen Friedens - und vor allem auch der Umwelt, die wir nur ein Mal haben.
 
Leserbrief zum Kommentar von Georg Anastasiadis im Münchner Merkur: "Die zweite Welle"
von Helmut Creutz

Mittwoch, 24. August 2011

Wie Zentralbanken Spekulanten mästen

„Niemand auf der Welt besitzt so viel Gold wie die Zentralbanken“, schreibt FTD.online am 24. August in dem Aufmacher: „Zentralbanken kleben trotz Schulden an ihrem Gold“.
Anstatt jedoch den Rekordkurs von über 1800 US-Dollar je Feinunze zu nutzen, um mit dem Verkauf von Goldbeständen gute Gewinne zu machen, kaufen sie weiter Gold auf. Die Deutsche Bundesbank und die US-Notenbank gehören zu den größten Goldbesitzern der Welt. Jede jetzt verkaufte Tonne könnte die Schuldenlast der Staaten spürbar verringern. Mit dem Verkauf von Gold, das vor 2008 gekauft wurde, hätte sich jeder eingesetzte Euro bzw. Dollar zum Vorteil der Steuerzahler mehr als verdoppelt. Und es stünde den Notenbanken frei, bei fallenden Kursen wieder zuzukaufen.
Stattdessen privatisieren sie weiter Staatsvermögen indem sie die Gewinne der Goldspekulanten in die Höhe treiben. In den Jahren des extrem niedrigen Goldkurses haben viele Notenbanken ihre Bestände reduziert. Jetzt, da Gold so teuer ist wie nie zuvor, kaufen sie noch hinzu. Zur großen Freude der Spekulanten, von denen die meisten ihr Glück wohl kaum fassen können.
Den zitierten Beitrag finden Sie auf FTD.online.

Klaus Willemsen, 24.08.2011

Dienstag, 16. August 2011

Zur Griechenlandkrise

25.07.2011: Zur Griechenlandkrise
Es ist schon geraume Zeit her, als ich in einem internationalen Hotelkonzern als Prokurist in der Finanzabteilung hautnah mit dem Währungsgeschehen zu tun hatte. Wir hatten damals viele Hotels im Süden Europas. Es hab nationale Währungen, die miteinander durch ein Fixkurssystem verbunden waren. Allerdings war eine Wechselkurskorrektur möglich, wenn die Spannungen zwischen den verschiedenen Währungen zu hoch wurden. Dies geschah regelmäßig: Im Laufe der Zeit wurden beispielsweise aufgrund der höheren Lohndynamik und der geringeren Produktivitätsfortschritte die spanischen Hotels für die deutschen Urlauber so teuer, dass sie fast leer standen. Dennoch: Irgendwann kam es dann zu einer Wechselkursanpassung zwischen der spanischen Pesete und der deutschen Mark. Über Nacht war in Spanien jede Badewanne mit einem Gast belegt, die unserer Hotels natürlich auch.
Mit dem Euro hat man den Ländern des Südens die Möglichkeit, unterschiedliche Kosten- und Produktivitätsentwicklungen durch eine Wechselkursanpassung auszugleichen, genommen. Griechenland, Spanien und Portugal sind nun aber diesbezüglich strukturell Ländern wie Deutschland, Holland, Frankreich etc. unterlegen. Die Architekten waren Politiker, die in Kategorien nationaler Größe dachten, ökonomisch jedoch vollkommen unbeleckt waren. Kohl bildete da keine Ausnahme – er war im Gegenteil der Prototyp.
Wenn der Scharnier Wechselkurs einer Volkswirtschaft aber genommen wird, bleibt nur noch ein Scharnier übrig: Der Arbeitsmarkt. Das ist ökonomische Elementarmathematik (wenngleich man den Eindruck hat, dass manch ein gewerkschaftsnaher Ökonom 1+1 nicht mehr zusammenzählen kann). Auf dem Arbeitsmarkt gibt es Menge und Preis als Variablen. Auf Grund der Macht der Gewerkschaften in den Südländern wurde bislang der Preis des Faktors Arbeitskraft unangetastet gelassen. Der Mengenparameter hat es aber in sich: In Griechenland, Spanien und Portugal geht z.B. die Jugendarbeitslosigkeit hart auf die 50 % zu. Eine Jugend ohne Zukunft. Wenn z.B. Gewerkschaften ehedem (jegliche ökonomischen Gesetze beiseite schiebend) glaubten, man könne feste Wechselkurse, hohe Löhne und eine hohe Beschäftigung im Euroraum der Ungleichen zu gleicher Zeit erreichen, landeten sie spätestens im Jahr 2010 hart auf dem Boden der Realität.
Im Rahmen der Griechenland verordneten Sparmaßnahmen wird man nun auch die Preiskomponente auf dem Arbeitsmarkt angehen – Lohnkürzungen werden Griechenlands Binnennachfrage jedoch nicht gerade stärken. Die Schieflage war und ist strukturell. Beispiel Deutschland-Griechenland: Deutschland exportierte wie ein Weltmeister: Die ohnehin qualitativ überlegenen Produkte wurden durch den mittlerweile mehr als 10 Jahre anhaltenden Lohnverzicht der deutschen Arbeitnehmer konkurrenzlos billig gemacht. Griechenland wurde von deutschen Produkten überschwemmt. Mit Agrarprodukten und Tourismus konnte die Handelsbilanz nicht ausgeglichen werden. Die deutsche Volkswirtschaft ersetzt die wegen der Lohnzurückhaltung fehlende Binnennachfrage durch Auslandsnachfrage – die zu einem beachtlichen Teil auf Pump finanziert wird. Und Udo van Kampen feiert in der ARD mal wieder die deutschen Exportüberschüsse. Dass es der derzeitigen Politik bei all dem weniger darum geht, Griechenland zu retten als vielmehr die Verluste der jeweiligen Banken zu begrenzen (auf Kosten der Steuerzahler), ist mittlerweile allgemein bekannt.
Die Währungsunion mit so uneinheitlichen Staaten war von Anfang an eine Schnapsidee. Dies wurde schon vor 13 Jahren von vielen Ökonomen (darunter auch meine Wenigkeit) kritisiert. Leider finden weder Politiker noch Medien den Mut, dies auszusprechen.
Die augenblickliche Politik läuft auf ein Schrecken ohne Ende für Griechenland zu. Man würde Griechenland und dem Rest Europas durch einen Schuldenschnitt, der sich um die 50 % bewegen müsste, etwas Gutes tun. Anstatt des Gefasels von einem Marshallplan sollte Griechenland jedoch zur Auflage gemacht werden, die Währungsunion so lange zu verlassen, bis sich das Land konsolidiert und mit seinen realwirtschaftlichen Parametern dem Rest des Euroraums bis auf eine tragbare Distanz hin angenähert hat. Alles andere als ein Austritt Griechenlands aus der Währungsunion, gepaart mit einem Schuldencut, läuft auf ein endloses Siechtum und auf eine zunehmende Europamüdigkeit sowohl in den Geber- und Nehmerstaaten heraus. Das gilt auch für Spanien und Portugal. Machen Sie so weiter, meine Damen und Herren Politiker, und die Europa-Idee wird so beständig, aber sicher ruiniert.
Wo ist eigentlich eine Opposition, die diesen Namen verdient??

Prof. Dirk Löhr

Montag, 25. Juli 2011

Initiative Nachrichtenaufklärung vermisst kritische Ansätze zum bestehenden Geldsystem

Die deutschen Medien haben nach Ansicht der Dortmunder Initiative Nachrichtenaufklärung auch 2010/2011 wichtige und brisante Themen vernachlässigt. So werde kaum kritisch hinterfragt, dass der Bankenrettungsfonds Soffin ohne echte parlamentarische Kontrolle über die Verteilung von 580 Mrd. Euro entscheide. Auch kritische Ansätze zum bestehende Geldsystem fänden kaum Widerhall in den Medien. So lautet Punkt acht der Top Ten Liste folgendermaßen:

8. Alternative Geldsysteme
"Das bestehende Geldsystem wird unkommentiert hingenommen. Die Presse berichtet kaum über Hintergründe und darüber wie unser Geldsystem funktioniert und gesteuert wird. Über alternative Ideen wird im Verhältnis zur Allgegenwärtigkeit des Geldes nur vereinzelt berichtet – und wenn dann über lokale Währungen wie Regiogeld oder Tauschringe. Die Ideen und systemkritischen Ansätze alternativer Geldtheoretiker bleiben auf Fachmagazine beschränkt. Nutzen und Grenzen der verschiedenen Modelle bekommen auch angesichts der derzeitigen Finanzkrise keine angemessene Aufmerksamkeit in den Massenmedien."

Siehe auch den Blog der Initiative Der Blinde Fleck.

Mittwoch, 13. Juli 2011

Das Fundamentalparadoxon der Geldwirtschaft: Die Ohnmacht der Schuldner

Linz, 4.7.2011

Offener Brief an Josef Cap und Werner Kogler

Lieber Josef Cap, lieber Werner Kogler!
Ihr ward bei der gestrigen ORF-Diskussion ganz nahe am Verständnis für unsere Probleme:
      Wir haben nicht ein vorübergehendes Problem sondern ein systemisches Problem. Leider ist die Ursache für dieses systemische Problem so schwer zu verstehen, weil es sich um ein Paradoxon handelt: „Das Fundamentalparadoxon der Geldwirtschaft: Die Ohnmacht der Schuldner“. Was für den einzelnen Schuldner gilt, nämlich dass er seine Schulden durch Fleiß und Sparsamkeit zurückzahlen kann, gilt für die Gesamtheit der Schuldner in Summe leider nicht. Ohne diese fundamentalen Zusammenhänge zu verstehen, werden wir nie zu einer Lösung des systemischen Problems finden. Und das ist die Begründung: 
7.    1.       Erster Hauptsatz der Volkswirtschaftslehre: Schulden und Guthaben (=Forderungen bzw. Geldvermögen) entstehen immer gleichzeitig und in gleicher Höhe. Sie sind daher in Summe immer gleich hoch. 
2.     2.      Weil die Summe der Schulden immer gleich hoch ist wie die Summe der Guthaben, können sie auch immer nur gleichzeitig abgebaut werden. Die Forderung nach einem Schuldenabbau ist daher immer identisch mit der Forderung nach einem Abbau der Guthaben. Schulden in Summe abzubauen und gleichzeitig die Guthaben in Summe zu erhalten, ist daher prinzipiell unmöglich.
3.     3.      Wie entstehen Schulden und Guthaben? Die Gläubiger geben den Schuldnern Geld, damit die Schuldner Waren von den Gläubigern kaufen können.
4.    4.      Wie können Schulden und Guthaben abgebaut werden? Ein „normaler“ Schuldner kann weder Geld drucken noch kann er sich Geld durch Besteuerung der Gläubiger holen. Daher können Schulden und Guthaben im Normalfall nur durch den umgekehrten Vorgang abgebaut werden. Das heißt, dass die Gläubiger von den Schuldnern Waren kaufen müssen, sonst haben die Schuldner kein Geld, die Schulden zurück zu zahlen. Wenn die Gläubiger keine Waren von den Schuldnern kaufen, kann es keinen Schuldenabbau geben. Es reicht also nicht, wenn sich die Schuldner für einen Schuldenabbau entscheiden und durch Fleiß und Sparsamkeit einen Überschuss an Waren erzeugen, sondern die Gläubiger müssen sich auch für einen Vermögensabbau entscheiden. Das aber wollen die Gläubiger nicht freiwillig und darin liegt also die Ohnmacht der Schuldner.
5.    5.      Weil die Gläubiger keinen Vermögensabbau wollen und daher ihre Vermögen nicht freiwillig abbauen, können Schulden in Summe im Normalfall nur durch Konkurs und damit eine unfreiwillige Kürzung der Gläubigeransprüche reduziert werden.
6.     6.      Der Staat hat zum Abbau seiner Staatsschulden darüber hinaus noch 2 weitere Möglichkeiten: Einerseits das Drucken von Geld, was einer Entschuldung über Inflation entspricht (das ist die derzeitige amerikanische Strategie) und andererseits durch Einhebung von Steuern. Erhöht der Staat die allgemeinen Steuern, wird dadurch kein Vermögen abgebaut und daher ändert sich auch die Summe der Schulden nicht. Sie wird nur vom Staat auf die breite Masse der Privaten übertragen, wodurch das grundsätzliche Verschuldungsproblem nicht gelöst sondern nur verschoben wird. Als einzige Möglichkeit zum Abbau der Staatsschulden verbleiben daher die direkte Besteuerung von Geldvermögen, damit sie kleiner werden, und die Besteuerung von Erträgen aus Geldvermögen, dass sie nicht weiter wachsen.
7.     
Unser derzeitiges Wirtschaftssystem hat zwar wesentlich zu einem allgemeinen materiellen Wohlstand in unserer Gesellschaft beigetragen, dieser Erfolg steht aber immer mehr auf dem Spiel, weil es gleichzeitig auch zu einem immer stärkeren Zerfall unserer Gesellschaft in Arm und Reich führt. Umverteilung ist daher nicht nur eine Forderung, deren Erfüllung aus Gründen der Gerechtigkeit dringend nötig wäre, sie ist insbesondere nötig für die Stabilität unseres Wirtschaftssystems. 
    Präziser formuliert braucht Kapitalismus für seine Stabilität eine progressive Besteuerung von Kapital (Vermögen, Zuwachs, Einkommen und Transaktionen) in der Höhe, dass die Kapitaleinkommen nicht schneller wachsen als das BIP und damit auch nicht schneller wachsen als die Arbeitseinkommen.
Es ist für alle und letztlich auch für die Besitzer von Kapitalvermögen von größerem Vorteil, wenn Kapital reguliert und besteuert wird, als dass es in einer gesellschaftlichen Katastrophe vernichtet wird. Denn wer aus der Geschichte nicht lernt, muss sie wiederholen. Diese Erkenntnis ist die größte politische Herausforderung für das 21.
Jahrhundert.

In tiefer Sorge um die Zukunft!
Dr. Erhard Glötzl

Dienstag, 12. Juli 2011

Unser tägliches Brot gib uns heute

Diese Bitte ist unserem Volk und vielen andern seit Jahrzehnten gewährt und durch das stetige Wirtschaftswachstum sogar übererfüllt worden. Aber leider nur in der Summe!
Wer sind WIR? Haben wir mit unterschiedlicher Intensität gebetet? Warum haben die Ersparnisse eine Rekordhöhe von 4,6 Billionen Euro erreicht, aber jeder 2. Haushalt hat nichts auf dem Konto!
Hätten wir – die Ahnungslosen der Profiteure und die der Opfer -  uns vielleicht weniger auf das Beten verlassen sollen, als zusätzlich unsere Aufgabe der gerechten Verteilung wahrzunehmen?

Gib MIR!
SOLANGE UND SOWEIT ICH DAFÜR GELD ZURÜCKLEGEN KANN!
ABER bitte MORGEN MEHR! (stetiges Wachstum ist angeblich nötig!)

Ist nicht der Zustand der Welt, hier und global, von der Angst geprägt, daß diese Bitte nicht mehr lange und bei jedem ausreichend erfüllt wird.
So vermehren sich die Mittel für das Tägl. Brot bei den „Sozialstarken“ stetig zu Lasten der „Sozialschwachen“.
Deshalb werden stetig, auch vor der und ohne die Krise(!), die Arbeitsplätze zu Gunsten des Kapitals verringert,
Deshalb muß auch stetig die Zahl der Essensplätze in „Die Tafel“ vergrößert werden, während gleichzeitig die Ersparnisse trotz  der Krise weiter wachsen!

Durch diese Übererfüllung der Bitte bei Weinigen werden unsere Kinder und Enkel  dafür aber umso heftiger beten müssen, bis sie die von uns geerbten Schulden abgebaut haben!
Mehr dazu unter www.inwo.de

Rudolf Klaes

Sonntag, 13. März 2011

Katastrophen + Kriege + Karambolagen = Wachstum!

Nach dem Erdbeben geht nun ein wenig die Angst um, was am morgigen Montag weltweit an den Börsen passieren wird. Sicherlich sorgt sich auch mancher um die Betroffenen und die langfristige Bewohnbarkeit weiter Teile Japans. Aber einige reiben sich auch schon die Hände. Schließlich bedeutet der notwendige Wiederaufbau jede Menge gute Geschäfte.

Das ist das Perverse an unserem Finanzsystem und dem Zwang zum Wachstum: Schlimme Dinge sorgen für super Zahlen. Katastrophen wie die in Japan bedeuten milliardenschwere Infrastruktur-Projekte. Massenkarambolagen auf Autobahnen sorgen für ein wachsendes Bruttoinlandsprodukt. Und am allerbesten ist ein Krieg: Was mit teuren Waffen zerstört wird, muss ebenfalls wieder aufgebaut werden. Danach sind dann auch die Munitionslager wieder zu füllen und die Verteidigung zu stärken. So sorgt man für ordentliches Wirtschaftswachstum.

Es gibt dabei allerdings einen Unterschied: Erdbeben werden wir nicht vermeiden können. Karambolagen und Kriege schon. Und es muss ja dann auch nicht wieder ein Atomkraftwerk in einem erdbebengefährdeten Gebiet sein. Regenerative Energien gingen ja auch - wenn der Zwang zum Wachstum und unsinnigen Mega-Projekten endlich abgeschafft wird!

Von Hiroshima zu Fukushima: Umdenken nach der Atom-Katastrophe?

Vielen meinen ja, dass es erst einen Crash geben muss, bevor die breite Masse und mit ihnen die Verantwortlichen umdenken. Man darf gespannt sein, ob das tatsächlich passiert. Die verheerenden Folgen des Erdbebens (und letztendlich der Energie- und Finanzpolitik) in Japan wären ja Anlass genug. Einige Aussagen deuten jedoch darauf hin, dass es noch etwas mehr als einen Crash oder Super-GAU braucht.

Der Chef der deutschen "Wirtschaftsweisen", Wolfgang Franz, beispielsweise gibt "Entwarnung": Importe aus Deutschland würden wohl nur zeitweilig zurückgefahren. Japans Premierminister Naoto Kan geht von einem "wirtschaftlichen Aufschwung" wie durch den "New Deal" in den Vereinigten Staaten der 1930er Jahre unter Präsident Roosevelt aus. So lesen sich die alten Denkmuster der nach Wirtschaftswachstum gierenden im Liveticker des SPIEGEL.

Für die Krönung sorgte heute jedoch RWE-Sprecher Gerd Jäger. Der Technikvorstand des Energieriesen sieht laut N-TV selbstredend keine Gefahr durch Atomkraftwerke in Deutschland. Dennoch gebe es natürlich "wie in allen Lebensbereichen Restrisiken", die minimiert werden müssten. Mir fällt allerdings beim besten Willen kein Lebensbereich ein, in dem Abfälle anfallen, die tausende Jahre tödliche Strahlendosen abgeben  oder ganze Landstriche unbewohnbar machen, wie es nun in Japan droht.

Deswegen wird es Zeit zu handeln, anstatt auf weitere Katastrophen oder Crashs zu warten. Wir brauchen nachhaltige Systeme anstatt langfristig unkontrollierbare - im Energie-, wie im Finanzbereich! Letzterer sorgt schließlich auch dafür, dass eher Großprojekte wie AKWs realisiert werden als dezentrale nachhaltige Lösungen.

Mittwoch, 5. Januar 2011

Berliner S(orgen)-Bahn: Kapitalmarkt statt Gemeinwohl

"Da ist eine kapitalmarktorientierte Geschäftspolitik der Bahn unterstützt worden, statt das Gemeinwohl im Auge zu behalten, also den sicheren und gleichen Zugang aller zu Mobilität."
Berlins Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer in der Berliner Zeitung

Das hat man nun davon, wenn sich die Bahn auf den Weg an die Börse macht: Ganze Stadtteile sind vom S-Bahn-Verkehr abgeschnitten, der 20 Minuten-Takt ist auch zu Stoßzeiten weitgehend die Regel und ein Umdenken (noch) nicht in Sicht: Zum Jahreswechsel sind in Berlin trotz der massiven Ausfälle die Ticketpreise gestiegen und der Bund besteht auf weiteren Ausschüttungen der Bahn in den Bundeshaushalt.

Immerhin nehmen die sichtbaren Widersprüche zu, es werden interessante Fragen aufgeworfen und Vorwürfe laut, die vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wären - wie der von Junge-Reyer. Nun fehlt nur noch die Auseinandersetzung mit grundlegenden Alternativen. Ein fließendes Geld könnte nämlich auch für langfristige und nachhaltige Investitionen und damit auch wieder für fließenden S-Bahn-Verkehr und mehr Gemeinwohlorientierung sorgen.