Freitag, 26. August 2011

Nachdenken über Nachdenkseiten

Kritische Bürger fragen sich zu recht, warum die Kritik an den Zinskosten in linken Kreisen so wenig Resonanz findet. Obwohl Konzerne nicht selten mehr Geld für Zins und Dividende ausgeben als für Löhne und obwohl Defizite öffentlicher Kassen ohne die Zinslasten gar nicht erst entstehen würden, weigern sich gewerkschaftsnahe und sozialdemokratische Ökonomen kollektiv, über den Zinsmechanismus kritisch nachzudenken. Und wenn man dem beharrlichen Nachfragen der Basis nachgibt, und sich der Zins Kritik stellt, widerlegt man Scheinargumente, anstatt sich mit der seriösen Zinskritik auseinandersetzen. Beinah exemplarisch die Veröffentlichung auf den Nachdenkseiten von Jens Berger am 23. August, die Wolfgang Ramming zu der folgenden Reaktion veranlasste. 

Sehr geehrter Herr Berger, liebe Nachdenkseiten-Redaktion,
diese Kritik an der Zinskritik ist eine Steilvorlage für alle Zinskritiker. Zumindest für die seriösen. Ich bin Mitglied der INWO  und repräsentiere die Regionalgruppe Frankfurt/Main. Ich bin knapp mit Zeit und möchte Ihre Kritik kurz und knapp entkräften:

Die "seriöse" Zinskritik möchte "den" Zins nicht abschaffen (es gibt "den" Zins nicht, eher eine Zinsstruktur) sondern lediglich neutralisieren. Er muss die Möglichkeit haben, auch unter null zu sinken (auf den Guthabenzins bezogen) und der Kreditzins wird immer mit einer gewissen positiven Differenz zum Guthabenzins darüber liegen, wie Sie es in Ihren Abschnitten "Zins aus Sicht des Kreditnehmers" und "Zins aus Sicht des Kreditgebers" auch schon richtig beschrieben haben.

Einige Hinweise nur als Stichworte:
"Inflationsausgleich" - woher kommt die Inflation, wie hoch ist der Zins, wenn Deflation herrscht?
"Risikoprämie" - wie hoch ist das Risiko bei unseren Banken in Deutschland heute? Die Bank hat ein Risiko und nimmt dafür (und für die Deckung der Kosten) die Differenz aus Guthaben- und Kreditzins.
"Preis für das Warten"? Wie lange legen Sie durchschnittlich Ihr Geld an? Bei der Bank, die ja nebenbei noch Fristentransformation betreibt, kommt da wieder die oben genannte Differenz zum Tragen.

Für den Kreditgeber "Bank" ist nicht zwingend der Zins positiv, lediglich muss die Differenz zwischen Guthabenzins, den sie an die Einleger zahlen muss, und dem Kreditzins, den ihre Kreditnehmer zahlen, positiv sein!

Zu Ihrer Anekdote "Josephspfennig" musste ich schon schmunzeln, denn keinen anderen Zweck, als die ökonomische Unmöglichkeit immerwährenden positiven Zins darzustellen, hat diese Anekdote.

Sie sagen "In der Realität wäre zumindest ein Teil des verliehenen Geldes durch Kreditausfälle „vernichtet“ worden". Dann erklären Sie, wie beim heutigen Banksparen, Kreditausfälle an Sparer weitergegeben werden. In geringem Maße sind sie durch die Bank zu decken, über Rückstellungen, Eigenkapital, etc. Aber wenn dies diese übersteigt? Dafür muss es negative Zinsen auf Guthaben geben (negative, keine abgeschafften Zinsen) um Guthaben abzuschmelzen. Die Flucht in Bargeld? Das soll mit Umlaufgebühr belegt sein.

Bereits 2003 hat die Fed of Dallas zur Umlaufgebühr zum Brechen der zero-Interest-rate etwas veröffentlicht (diese Quelle sollte grundsätzlich unverdächtig sein für "Kritiker der Zinskritik"): http://www.dallasfed.org

Bei Ihrer Kritik an dem Zins der im Gegensatz zum geschöpften Geld in der Welt bleibe, sind Sie wirklich sehr plumpen Zinskritikern auf den Leim gegangen (ich vermute "Der Goldschmied Fabian").

Schwieriger wird es schon bei dem Wachstumszwang. Der Schluss geht so: Exponentielles Wachstum (und das erzeugt nun einmal positiven Guthabenzins) der Guthaben erzwingt exponentielles Wachstum der Schulden (die Banken sind die Vermittler -Intermediäre- dazwischen). Das geht nicht anders, da die Bankbilanz ausgeglichen sein muss und keine Schuld ohne Guthaben existieren kann. Die steigende Last der Zinsen auf die Wirtschaft durch die Kreditnahme, muss von der Wirtschaft erwirtschaftet werden. Schafft sie es nicht, schrumpfen alle Einkommen außer eben derer aus Zinsen. Werden die Zinsen nun gesenkt (eigentlich bilden sie sich am Markt aus Angebot und Nachfrage und der Notenbankzins hat damit nur am Rande zu tun, auch wenn uns immer was anderes erzählt wird) schafft das vorübergehend Erleichterung. Aber sie können eben nicht beliebig sinken, wegen der magischen Nullgrenze, und bei Erreichen dieser kommt die Liquiditätsfalle zum Tragen.

Ich empfehle Ihnen, wenn ich darf, sich mit seriöser Zinskritik zu befassen (die die Höhe, nicht die Existenz des Zinses kritisiert).

Danke für Ihr Engagement, ich lese regelmäßig mit, habe auch schon die Zinskritik an Sie herangetragen (Herrn Albrecht Müller vor einigen Jahren und schon damals eine "Abfuhr" erhalten) und stöhne jedes mal auf, wenn Sie zwar richtig die Symptome erkennen und kritisieren aber dank Ausblendung fundamentaler Systemfehler eben auch keine Lösung außer "Wachstum, Wachstum, Wachstum" und entsprechend Keynesianische Politik anbieten können.

Weiter Texte und Standpunkte finden Sie auf: INWO.de

Mein Literaturtipp: „Das Geldsyndrom“ von Helmut Creutz

Mit freundlichen Grüßen,
Wolfgang Ramming






Donnerstag, 25. August 2011

"Die zweite Welle" - Münchner Merkur

Es ist zweifellos ungewiss, ob der "zweiten Welle" erst noch eine dritte, vierte oder fünfte folgt, aber ganz gewiss ist, dass am Ende ein Zusammenbruch stehen wird! Denn ein System, das dauernd wachsen muss um zu existieren, hat in einer begrenzten Welt keine andere Chance. 
 
Ursache dieses Wachstums-Dilemmas ist jener Vorgang, den die Bundesbank bereits 1993 einmal als "Selbstalimentation der Geldvermögen durch die Zinsen" bezeichnet hat, also jenen Automatismus, der unsere Geldvermögen seit 1950 mit Verdopplungsraten wachsen lässt und im Gleichschritt damit auch den Verschuldungszwang! Und das gilt auch für den Staat, dessen Schuldenaufnahmen  seit 1970 bis heute zwar von 70 auf 2.080 Mrd € explodiert, aber zu vier Fünfteln in den Zinsendienst geflossen sind! -
 
Am Ende einer solchen Schuldaufnahme- und Zinszahlungslawine blüht uns dann, nach einem letzten Fluchtversuch in die Inflation, wieder eine "Währungsreform", bei der jedoch in Wirklichkeit nichts reformiert, sondern mit den gleichen Fehlern nur erneut begonnen wird! Deshalb ist es höchste Zeit, uns über eine wirkliche Reform unseres Geldsystems Gedanken zu machen und eines vorzubereiten, das ohne monetäres Überwachstum funktioniert und damit ohne Gefährdung des sozialen Friedens - und vor allem auch der Umwelt, die wir nur ein Mal haben.
 
Leserbrief zum Kommentar von Georg Anastasiadis im Münchner Merkur: "Die zweite Welle"
von Helmut Creutz

Mittwoch, 24. August 2011

Wie Zentralbanken Spekulanten mästen

„Niemand auf der Welt besitzt so viel Gold wie die Zentralbanken“, schreibt FTD.online am 24. August in dem Aufmacher: „Zentralbanken kleben trotz Schulden an ihrem Gold“.
Anstatt jedoch den Rekordkurs von über 1800 US-Dollar je Feinunze zu nutzen, um mit dem Verkauf von Goldbeständen gute Gewinne zu machen, kaufen sie weiter Gold auf. Die Deutsche Bundesbank und die US-Notenbank gehören zu den größten Goldbesitzern der Welt. Jede jetzt verkaufte Tonne könnte die Schuldenlast der Staaten spürbar verringern. Mit dem Verkauf von Gold, das vor 2008 gekauft wurde, hätte sich jeder eingesetzte Euro bzw. Dollar zum Vorteil der Steuerzahler mehr als verdoppelt. Und es stünde den Notenbanken frei, bei fallenden Kursen wieder zuzukaufen.
Stattdessen privatisieren sie weiter Staatsvermögen indem sie die Gewinne der Goldspekulanten in die Höhe treiben. In den Jahren des extrem niedrigen Goldkurses haben viele Notenbanken ihre Bestände reduziert. Jetzt, da Gold so teuer ist wie nie zuvor, kaufen sie noch hinzu. Zur großen Freude der Spekulanten, von denen die meisten ihr Glück wohl kaum fassen können.
Den zitierten Beitrag finden Sie auf FTD.online.

Klaus Willemsen, 24.08.2011

Dienstag, 16. August 2011

Zur Griechenlandkrise

25.07.2011: Zur Griechenlandkrise
Es ist schon geraume Zeit her, als ich in einem internationalen Hotelkonzern als Prokurist in der Finanzabteilung hautnah mit dem Währungsgeschehen zu tun hatte. Wir hatten damals viele Hotels im Süden Europas. Es hab nationale Währungen, die miteinander durch ein Fixkurssystem verbunden waren. Allerdings war eine Wechselkurskorrektur möglich, wenn die Spannungen zwischen den verschiedenen Währungen zu hoch wurden. Dies geschah regelmäßig: Im Laufe der Zeit wurden beispielsweise aufgrund der höheren Lohndynamik und der geringeren Produktivitätsfortschritte die spanischen Hotels für die deutschen Urlauber so teuer, dass sie fast leer standen. Dennoch: Irgendwann kam es dann zu einer Wechselkursanpassung zwischen der spanischen Pesete und der deutschen Mark. Über Nacht war in Spanien jede Badewanne mit einem Gast belegt, die unserer Hotels natürlich auch.
Mit dem Euro hat man den Ländern des Südens die Möglichkeit, unterschiedliche Kosten- und Produktivitätsentwicklungen durch eine Wechselkursanpassung auszugleichen, genommen. Griechenland, Spanien und Portugal sind nun aber diesbezüglich strukturell Ländern wie Deutschland, Holland, Frankreich etc. unterlegen. Die Architekten waren Politiker, die in Kategorien nationaler Größe dachten, ökonomisch jedoch vollkommen unbeleckt waren. Kohl bildete da keine Ausnahme – er war im Gegenteil der Prototyp.
Wenn der Scharnier Wechselkurs einer Volkswirtschaft aber genommen wird, bleibt nur noch ein Scharnier übrig: Der Arbeitsmarkt. Das ist ökonomische Elementarmathematik (wenngleich man den Eindruck hat, dass manch ein gewerkschaftsnaher Ökonom 1+1 nicht mehr zusammenzählen kann). Auf dem Arbeitsmarkt gibt es Menge und Preis als Variablen. Auf Grund der Macht der Gewerkschaften in den Südländern wurde bislang der Preis des Faktors Arbeitskraft unangetastet gelassen. Der Mengenparameter hat es aber in sich: In Griechenland, Spanien und Portugal geht z.B. die Jugendarbeitslosigkeit hart auf die 50 % zu. Eine Jugend ohne Zukunft. Wenn z.B. Gewerkschaften ehedem (jegliche ökonomischen Gesetze beiseite schiebend) glaubten, man könne feste Wechselkurse, hohe Löhne und eine hohe Beschäftigung im Euroraum der Ungleichen zu gleicher Zeit erreichen, landeten sie spätestens im Jahr 2010 hart auf dem Boden der Realität.
Im Rahmen der Griechenland verordneten Sparmaßnahmen wird man nun auch die Preiskomponente auf dem Arbeitsmarkt angehen – Lohnkürzungen werden Griechenlands Binnennachfrage jedoch nicht gerade stärken. Die Schieflage war und ist strukturell. Beispiel Deutschland-Griechenland: Deutschland exportierte wie ein Weltmeister: Die ohnehin qualitativ überlegenen Produkte wurden durch den mittlerweile mehr als 10 Jahre anhaltenden Lohnverzicht der deutschen Arbeitnehmer konkurrenzlos billig gemacht. Griechenland wurde von deutschen Produkten überschwemmt. Mit Agrarprodukten und Tourismus konnte die Handelsbilanz nicht ausgeglichen werden. Die deutsche Volkswirtschaft ersetzt die wegen der Lohnzurückhaltung fehlende Binnennachfrage durch Auslandsnachfrage – die zu einem beachtlichen Teil auf Pump finanziert wird. Und Udo van Kampen feiert in der ARD mal wieder die deutschen Exportüberschüsse. Dass es der derzeitigen Politik bei all dem weniger darum geht, Griechenland zu retten als vielmehr die Verluste der jeweiligen Banken zu begrenzen (auf Kosten der Steuerzahler), ist mittlerweile allgemein bekannt.
Die Währungsunion mit so uneinheitlichen Staaten war von Anfang an eine Schnapsidee. Dies wurde schon vor 13 Jahren von vielen Ökonomen (darunter auch meine Wenigkeit) kritisiert. Leider finden weder Politiker noch Medien den Mut, dies auszusprechen.
Die augenblickliche Politik läuft auf ein Schrecken ohne Ende für Griechenland zu. Man würde Griechenland und dem Rest Europas durch einen Schuldenschnitt, der sich um die 50 % bewegen müsste, etwas Gutes tun. Anstatt des Gefasels von einem Marshallplan sollte Griechenland jedoch zur Auflage gemacht werden, die Währungsunion so lange zu verlassen, bis sich das Land konsolidiert und mit seinen realwirtschaftlichen Parametern dem Rest des Euroraums bis auf eine tragbare Distanz hin angenähert hat. Alles andere als ein Austritt Griechenlands aus der Währungsunion, gepaart mit einem Schuldencut, läuft auf ein endloses Siechtum und auf eine zunehmende Europamüdigkeit sowohl in den Geber- und Nehmerstaaten heraus. Das gilt auch für Spanien und Portugal. Machen Sie so weiter, meine Damen und Herren Politiker, und die Europa-Idee wird so beständig, aber sicher ruiniert.
Wo ist eigentlich eine Opposition, die diesen Namen verdient??

Prof. Dirk Löhr